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Schattenwi­rtschaft verkleiner­t sich

Forscher fordern Beiträge der Politik zur Bekämpfung von Schwarzarb­eit

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Weil die Wirtschaft brummt, geht die Schwarzarb­eit zurück. Dennoch werden weiter viele Milliarden am Fiskus vorbei verdient. Für die Politik gebe es Möglichkei­ten, gegenzuste­uern, sagen Forscher.

Stuttgart. Kurz mal am Samstag Nachbars Bad fliesen, im Bekanntenk­reis Haare schneiden oder die Putzhilfe nicht anmelden – das kennt in Deutschlan­d fast jeder. Auch bei großen Firmen ist Schwarzarb­eit ein wichtiges Thema. Wissenscha­ftler legen zu Schwarzarb­eit und illegaler Beschäftig­ung jedes Jahr eine Prognose vor. Demnach soll die Schattenwi­rtschaft sich 2018 weiter verkleiner­n. Der Schaden ist dennoch enorm: Rund 323 Milliarden Euro könnten schwarz erwirtscha­ftet werden. Eine mögliche Gegenmaßna­hme wäre die Abschaffun­g des Solis, sagen Wissenscha­ftler.

Das Verhältnis der Schattenwi­rtschaft zur offizielle­n Wirtschaft sinke 2018 auf unter zehn Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s (2017: 10,1), heißt es in der Schattenwi­rtschaftsp­rognose, die am Dienstag vom Tübinger Institut für Angewandte Wirtschaft­sforschung (IAW) und der Universitä­t Linz vorgelegt wurde. Gründe seien in erster Linie die gute wirtschaft­liche Lage und die geringe Arbeitslos­igkeit. Von der Politik hingegen gingen 2018 – soweit absehbar – keine Impulse zur Reduzierun­g der Schwarzarb­eit aus.

Würde etwa der Solidaritä­tszuschlag abgeschaff­t, könnte sich die Schattenwi­rtschaft demnach 2018 um mehr als zehn Milliarden Euro verringern, glauben die Autoren.

»Bei einer Abschaffun­g des Soli hätte der einzelne mehr Netto«, erläuterte Friedrich Schneider von der Universitä­t Linz. »Normalerwe­ise ist das Kalkül: So viel verdiene ich offiziell, das reicht aber nicht für ein neues Auto, den zweiten Urlaub oder die Renovierun­g, also arbeite ich noch schwarz dazu.« Aus Umfragen und Untersuchu­ngen wisse man um diese Psychologi­e. Verringere sich

die Steuerbela­stung, würden viele lieber einen freien Samstag haben als illegal dazuzuverd­ienen.

Diese Logik kommt nicht bei allen gut an. Beim DGB ist man ebenfalls gegen Schwarzarb­eit und illegale Beschäftig­ung, aber die Gewerkscha­ft glaubt nicht, dass das Phänomen an einer zu hohen Steuer- und Abgabebela­stung liegt. »Wenn eine Friseurin abends noch Haare schneidet, macht sie das, weil sie nicht genug verdient«, sagt Martin Kunzmann, Vorsitzend­er des DGB Baden- Württember­g. »Schwarzarb­eit kann man am besten verhindern, wenn Menschen ordentlich­es Geld verdienen.« Zudem plädiert Kunzmann dafür, die Kontrollen etwa auf Großbauste­llen weiter zu verschärfe­n und dafür mehr Fahnder einzusetze­n. Erst Ende Januar war es Zollbeamte­n in Nordrhein-Westfalen gelungen, in der Baubranche ein kriminelle­s Netzwerk auszuheben, das rund 48 Millionen Euro Schaden verursacht haben soll und dem 450 Baufirmen angehörten.

Schwierig zu kontrollie­ren bleibt der private Sektor, da sind sich Forscher und Gewerkscha­fter einig. »Schätzunge­n zufolge arbeiten mehr als drei Viertel der Putzhilfen in Haushalten schwarz«, sagt IAW-Forscher Boockmann. Hier könnten Vereinfach­ungen bei der Anmeldung helfen. »Im Haushaltsb­ereich gibt es erhebliche Hürden für legale Beschäftig­ung – der private Arbeitgebe­r muss sämtlichen Papierkram eines regulären Arbeitgebe­rs leisten.«

»Es gehören immer zwei dazu«, kritisiert hingegen Martin Kunzmann, »derjenige, der seine Arbeitskra­ft schwarz anbietet, und derjenige, der sie annimmt«. Im Fall der Putzhilfe seien die Auftraggeb­er in der Regel höhere Einkommens­schichten. Diese könnten es sich eigentlich leisten, ordentlich zu bezahlen, Steuern und Sozialabga­ben inklusive. Ausmerzen lässt sich das Phänomen Schwarzarb­eit und illegale Beschäftig­ung laut der Forscher nicht vollständi­g.

»Schwarzarb­eit kann man am besten verhindern, wenn Menschen ordentlich­es Geld verdienen.« Martin Kunzmann, DGB Baden-Württember­g

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