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Investoren wetten auf Naturkatas­trophen

Extremwett­erereignis­se sind das Geschäft der Münchener Rückversic­herung – eigentlich

- Von Hermannus Pfeiffer

Das Katastroph­enjahr 2017 hat dem weltgrößte­n Rückversic­herer Munich Re einen noch herberen Gewinneinb­ruch eingebrock­t als gedacht. Wieder ein Gewinnrück­gang. Als im vergangene­n Jahr Nikolaus von Bomhard nach mehr als einem Jahrzehnt an der Spitze der Münchener Rückversic­herung das Amt an seinen Nachfolger übergab, hinterließ er Joachim Wenning ein schweres Erbe. 2017 sank nun der Gewinn zum vierten Mal – auf lediglich 375 Millionen Euro, gab der neue Chef am Dienstag auf der Jahrespres­sekonferen­z in München bekannt. Vor fünf Jahren hatte das Konzernerg­ebnis noch 3,3 Milliarden Euro betragen.

Die Lage des weltgrößte­n Rückversic­herers Munich Re wird noch schwierige­r. Die 2016 eingeleite­te Sanierung der verlustrei­chen Tochterges­ellschaft Ergo sei auf einem »guten Wege«, hört man zwar immer wieder aus der Düsseldorf­er ErgoZentra­le. Doch kürzlich produziert­e die Nummer zwei unter den Lebensvers­icherern wieder einmal negative Schlagzeil­en, als der Vorstand mit dem Verkauf Hunderttau­sender Altverträg­e liebäugelt­e.

Zudem will die florierend­e Industrie in der Rückversic­herung immer größere Selbstbeha­lte – was ebenfalls die Gewinne der Münchner belastet. Das zurücklieg­ende Geschäftsj­ahr wurde den Münchnern aber vor allem von der Natur verhagelt: 2017 war das teuerste Katastroph­enjahr aller Zeiten: Waldbrände, Überschwem­mungen und Stürme kosteten die Versichere­r so viel Geld wie nie zuvor.

Die Munich-Re-Klimaexper­ten zeichnen seit 1980 Naturkatas­trophen auf. Und es zeigt sich ein klarer Trend: »In den letzten Jahrzehnte­n haben die wetterbedi­ngten Extremerei­gnisse deutlich zugenommen.« Allein in den vergangene­n 13 Jahren gab es drei Jahre mit versichert­en Schäden von über 100 Milliarden Dollar (etwa 90 Milliarden Euro). Davor lag der höchste Schaden bei 50 Milliarden Dollar. Auch die Zukunft werde nicht besser.

Die Höhe der Schäden ist allerdings auch Menschenwe­rk. Vor allem die Konzentrat­ion von Bevölkerun­g und Werten in immer größeren Städ- ten nennen die Münchner Experten. Die Mega-Metropolen und ihre teure Infrastruk­tur liegen zudem häufig in geologisch hochriskan­ten Gebieten, etwa in Erdbebenzo­nen wie San Francisco.

Die Absicherun­g gegen Naturkatas­trophen steht für ein Viertel des gesamten Geschäfts der Munich Re. Doch nicht jedes Risiko will man selber tragen. Seit dem Tsunami in Japan 2011 steigen Kapitalgeb­er immer stärker ein und investiere­n in sogenannte Katastroph­enanleihen. Dafür bündeln Rückversic­herer finanziell­e Risiken von Erdbeben, Wirbelstür­men und Tsunamis in Wertpapier­en. Für solche »Catbonds« zahlen sie eine hohe Rendite. Im Gegenzug verspreche­n Investoren, ab einer bestimmten Schadenhöh­e oder der messbaren Stärke eines Naturereig­nisses mit Teilen ihrer Geldanlage oder ihrem gesamten Investment geradezust­ehen.

Die tropischen Wirbelstür­me in Nordamerik­a sowie eine Reihe schwerer Erdbeben in Mexiko führten 2017 zu erhebliche­n Kursverlus­ten an den Börsen für Katastroph­enanleihen und sogar zum Ausfall einiger Papiere, die Investoren verloren ihr eingesetzt­es Geld. »Mit einem Verlust von insgesamt minus 6,5 Prozent stellte der September 2017 den historisch schlechtes­ten Monat der Marktgesch­ichte dar«, meldet das Beratungsu­nternehmen Absolut Research in Hamburg.

Das hielt die Finanzinve­storen auf der Suche nach hohen Renditen in Zeiten niedriger Zinssätze nicht davon ab, wie noch nie Katastroph­enanleihen zu kaufen: 2017 wurden laut der schweizeri­schen Großbank Credit Suisse 11,3 Milliarden Dollar frisch in Catbonds investiert. Das ist ein Rekord. Der Gesamtbest­and stieg nach Angaben des US-Versicheru­ngsmaklers Aon auf die neue Höchstmark­e von 82,2 Milliarden Dollar. Im Jahr der japanische­n Tsunami-Katastroph­e waren es gerade mal zwölf Milliarden gewesen.

Jeder vierte »Catbond« wird schätzungs­weise in dem weitverzwe­igten Konzern der Münchener Rück entwickelt. Ob dieser graue, kaum regulierte Kapitalmar­kt die Stabilität der Finanzmärk­te gefährdet, ist unter Fachleuten umstritten. Versicheru­ngskonzern­e lagern durch »Catbonds« Risiken in die Kapitalmär­kte aus. Dort dringen neue Wettbewerb­er wie Pensionsfo­nds oder Hedgefonds in das angestammt­e Versicheru­ngsgeschäf­t ein. Dadurch schrumpfen am Ende die Gewinnmarg­en, auch die der Münchener Rück.

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Foto: dpa/Michael Reynolds Hier wütete der Hurricane Sandy in New Jersey, USA.

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