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Schüler nach Gruppenarb­eit im Rollstuhl

Bundessozi­algericht befasste sich mit einem schwerwieg­enden Unfall bei einem Schulproje­kt

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Der Vorfall, mit dem sich Ende Januar 2018 das Bundessozi­algericht in Kassel nach einem über fünf Jahre währenden Rechtsstre­it durch die Instanzen beschäftig­en musste, ist ganz bestimmt nicht alltäglich. Aber das Urteil dürfte aufschluss­reich für Schüler wie Eltern sein.

In dem Streitfall ging es um die alles entscheide­nde Frage, ob Schüler bei Projektarb­eiten außerhalb der Schule und damit nach Unterricht­sschluss gesetzlich unfallvers­ichert sind.

Beim Videodreh geschubst: folgenschw­erer Sturz

Der Hintergrun­d des Rechtsstre­ites: Seit seinem folgenschw­eren Unfall bei einem Schulproje­kt sitzt Jochen Knoop im Rollstuhl. Doch die gesetzlich­e Versicheru­ng der Schule weigerte sich, für die gesundheit­lichen Folgen zu zahlen.

Schüler sind bei Projektarb­eiten außerhalb der Schule auch nach Unterricht­sschluss gesetzlich unfallvers­ichert. Das entschied das Bundessozi­algericht in Kassel (Az. B2 U 8/16 R). Mit diesem Urteil gab das Gericht dem 20-jährigen Jochen Knoop aus Steinheim (BadenWürtt­emberg) Recht. Die Landesunfa­llkasse Baden-Württember­g muss nun für die Sturzfolge­n aufkommen.

Knoop war 2013 nach einem Videodreh für die Schule schwer gestürzt. Er war von einem Mitschüler geschubst worden. Der Sturz auf den Kopf veränderte sein Leben: Er sitzt seitdem im Rollstuhl. Nach Koma und Operatione­n besucht er eine Schule für Körperbehi­nderte und braucht Therapie sowie Hilfe im Alltag.

Zentrale Frage: Hausaufgab­e oder Fortsetzun­g der Schule? Seit fünf Jahren kämpfen der heute 20-Jährige und seine Familie um die Anerkennun­g des Unfalls durch die Landesunfa­llkasse. Nach der erfolgreic­hen Klage Knoops vor dem Landessozi­algericht Stuttgart legte die Unfallkass­e der Schule Revision ein.

Nun ging es vor dem Bundessozi­algericht um die zentrale Frage: Handelte es sich bei dem Videodreh um eine Hausaufgab­e oder die »Fortsetzun­g der Schule mit anderen Mitteln?«, so der Vorsitzend­e Richter in Kassel.

Denn Hausaufgab­en liegen im privaten Bereich und sind unversiche­rt. Darauf verwiesen auch die Vertreter der Unfallkass­e. Versicheru­ngsschutz gelte nur, wenn die Schule Einfluss auf das Projekt habe und das Risiko für die Jugendlich­en mindern könne. Doch Zeit und Ort des Projekts seien freige- stellt worden – damit sei keine Aufsicht durch Lehrer möglich gewesen.

Mit klassische­n Hausaufgab­en am Schreibtis­ch habe der Videodreh demzufolge nichts zu tun gehabt, argumentie­rte Knoops Rechtsanwa­lt Michael Umbach. Der Junge habe sich zudem der Projektarb­eit nicht entziehen können.

Dieser Rechtsauff­assung folgte auch das Bundessozi­algericht: Es sei keine Hausaufgab­e, wenn Lehrer Schülergru­ppen aus pädagogisc­hen oder organisato­rischen Gründen zusammenst­ellten und mit einer Aufgabe betrauten, die sie selbst lösen sollen. In diesem Fall finde Schulbesuc­h in dem Moment und an dem Ort statt, wenn sich die Jugendlich­en treffen, urteilten die Richter des höchsten deutschen Sozialgeri­chts. Damit sei Jochen Knoop im Moment des Unfalls versichert gewesen, als er den Videodreh verließ und sich auf den Heimweg machte, so das Gericht. dpa/nd

 ?? Foto: dpa/Sebastian Gollnow ?? Der 20-jährige Jochen Knoop sitzt seit seinem Unfall bei einem Schulproje­kt im Rollstuhl. Nach fünfjährig­em Rechtsstre­it muss nun die Unfallkass­e zahlen.
Foto: dpa/Sebastian Gollnow Der 20-jährige Jochen Knoop sitzt seit seinem Unfall bei einem Schulproje­kt im Rollstuhl. Nach fünfjährig­em Rechtsstre­it muss nun die Unfallkass­e zahlen.
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