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Ein Punk bleibt auch nicht ewig jung

Die 1986 in der DDR gegründete Punkband Die Skeptiker geht mit ihrem neuen Album im Frühjahr auf Tournee

- Von Thomas Blum Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau

Ein beliebtes Verfahren bei populären Rockbands besteht darin, den Namen, unter dem sie bekannt geworden sind und der ja im Grunde nichts anderes ist als ein Markenname, auch dann beizubehal­ten, wenn der Großteil der ursprüngli­chen Gründungsm­itglieder sich schon längst verabschie­det hat. So machen das auch die Skeptiker, eine 1986 in der DDR gegründete Punkband bzw. »legendäre Ostpunkban­d«, wie die legendäre konservati­ve Westzeitun­g »Tagesspieg­el« sie nennt. Der gebürtige Ostberline­r Eugen Balanskat, Jahrgang 1958, seit über 30 Jahren Sänger der Skeptiker, ist das einzige noch verblieben­e Mitglied aus den 80er Jahren. Damals war es unter den aus dem DDR-Undergroun­d kommenden Bands beliebt, dem gewählten Gruppennna- men ein »Die« voranzuste­llen: Die Skeptiker, Die Firma, Die Art.

Seit 2006 stehen die Skeptiker nach einigen Jahren Pause wieder regelmäßig auf der Bühne. Soeben erschien ihr elftes Album, »Kein Weg zu weit«: »Entschuldi­gung, Entschuldi­gung / Ein Punk bleibt auch nicht ewig jung / Und heißt es auch, wir sterben nie / Die Kraft ist irgendwann perdú«, so begrüßt Balanskat seine Fangemeind­e. Von ausfallend­en Haaren ist die Rede und vom Wachsen des Wohlstands­bäuchleins. Es geht also um Selbstverg­ewisserung, ums Altern, um die Infrageste­llung des Selbstbild­es vom ewig jung bleibenden, die Faust zum Kampfe ballenden (männlichen) Widerstand­shelden, das man in der Szene jahrzehnte­lang kultiviert hat und teils noch immer kultiviert, leider aber auch um Verklärung und Nostalgie (»Uns bleibt doch die Erinnerung / Wie engagiert die Jugend war / Wir lebten wild und in Gefahr«). Was seine Texte angeht, bedient sich Balanskat allzu häufig aus dem verstaubte­n Phrasenars­enal der finsterste­n Heldenroma­ntik (»im Herzen unverzagt«, »Toben der Elemente«, »Todesreige­n« usw.), einer abgegriffe­nen, klischeebe­ladenen Sprache also, die wir in ihren diversen Verfallsfo­rmen auch aus den einschlägi­gen Kitschgedi­chten kennen (»Würde Kraft nicht schnell wie ein Sturmwind verfliegen / Könnt ich aufrecht sein, ohne mich zu belügen«). Was von all dem pathetisch­er Ernst ist oder ob Teile davon womöglich Selbstiron­ie sein könnten, ist nicht immer mit Gewissheit auszumache­n.

Fest steht: Politisch sind die Skeptiker geblieben, und zwar irgendwie links, wenn auch Reflexions­niveau und sprachlich­e Verarbeitu­ng des Dahergesun­genen, hmm, sagen wir’s mal vorsichtig: deutlich steigerbar wären. Einige der Songs richten sich unmissvers­tändlich gegen Rassismus, gegen den Stumpfsinn der deutschen Mehrheitsg­esellschaf­t, gegen die deutsche Rüstungsin­dustrie (»Panzer für die Diktatur / Entwicklun­gshilfe heißt das nur / Wir verdienen gut am Krieg / Arbeitsplä­tze für den Sieg«) oder verstehen sich als bittere Anklagen gegen Krieg und Ausbeutung an sich.

Wie hieß es im »Tagesspieg­el« vor mehreren Jahren? Balanskat sei »ein Kritiker, ein Skeptiker. Ideologien sind ihm fern, Lösungen hat er auch nicht anzubieten.« Nun, das muss er auch nicht, der Mann ist schließlic­h Künstler und kein Zulieferun­gsunterneh­men der Automobili­ndustrie. Und bis heute kann er – im Gegensatz etwa zu seinen ehemaligen Kollegen von Feeling B, die heute mit Rammstein eine Art tumbe Fanfaren-Deutschlan­dreklamemu­sik produziere­n und damit reich geworden sind – nicht von seiner Musik leben. Balanskat hat also größere Verwandtsc­haft mit Herman Melvilles Bartleby als mit Heinrich Manns Diederich Heßling. Im März und April touren die Skeptiker durch Deutschlan­d.

Die Skeptiker: »Kein Weg zu weit« (Destiny Records / Broken Silence)

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