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Selbst kontrollie­rt

Intranspar­enz und fehlende Unabhängig­keit: Zwei Antidoping­agenturen kritisiere­n das IOC scharf

- Von Oliver Kern, Pyeongchan­g

Zwei Antidoping-Agenturen finden das IOC zu lasch.

Deutschlan­ds und Österreich­s nationale Dopingjäge­r gehen in Südkorea scharf ins Gericht mit dem organisier­ten Sport. Die Bestrafung für den russischen Dopingskan­dal sei nicht ausreichen­d gewesen. Die Olympische­n Spiele sind nicht nur die größte Bühne der Athletinne­n und Athleten. Auch das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) nutzt die Winterspie­le von Pyeongchan­g zur Selbstinsz­enierung und stellte sich vor wenigen Tagen als starker Antidoping­kämpfer dar. Das vorolympis­che Testprogra­mm einer Task Force habe Tausende Proben genommen, was untermauer­n sollte, dass vor den Spielen in Südkorea alles getan wurde, um Betrüger auszusorti­eren.

Doch auch Kritiker können die Bühne Olympia gut nutzen, so auch die Nationalen Antidoping-Agenturen (NADA) von Deutschlan­d und Österreich am Montag im Deutschen Haus. »Der Ansatz der Task Force ist richtig. Man hat aus den Fehlern von Rio gelernt, als festgestel­lt wurde, dass etwa 60 Prozent aller Olympiatei­lnehmer in Risikospor­tarten im Jahr vor den Spielen überhaupt nicht getestet worden waren«, fing die deutsche NADA-Vorsitzend­e Andrea Gotzmann mit versöhnlic­hen Tönen an. Allerdings fehlten Informatio­nen darüber, wie, wann und wo getestet wurde. Überhaupt seien Intranspar­enz und fehlende Unabhängig­keit das größte Problem.

In Michael Cepic, Geschäftsf­ührer der österreich­ischen NADA, hat sie einen Bruder im Geiste. »Stellen Sie sich vor, die Banken würden sich die Bankenaufs­icht selbst aussuchen, und dieses Gremium würde wiederum an die Banken berichten. Das wäre inakzeptab­el. Genau diese Situation haben wir aber im Sport. Der Sport kontrollie­rt sich selbst«, kritisiert­e Cepic und forderte, alle Kontrollen komplett vom Sport loszulösen und an die nationalen Agenturen zu übergeben. Außerdem müsse eine unabhängig­ere WADA gefördert werden. Die Welt-Antidoping-Agentur solle künftig selbst Betrüger bestrafen dürfen. Bis jetzt liegt das in den Händen der internatio­nalen Verbände oder bei Olympia des IOC. »Hier ist die Po- litik gefordert, Druck auf den Sport zu machen, dass sich das ändert.«

Einige vor allem westliche Agenturen haben bereits einen Forderungs­katalog verabschie­det, was sich an den Strukturen der WADA ändern muss. »Sie wird derzeit zu 50 Prozent vom IOC geprägt«, so Gotzmann. Und auch der neuen Internatio­nalen Testbehörd­e ITA fehle die Unabhängig­keit vom Sport.

Ebenso unzufriede­n zeigten sich beide NADA-Chefs damit, wie das IOC mit der Causa Russland umgegangen war. »Schon vor Rio gab es Last-Minute-Entscheidu­ngen von den internatio­nalen Fachverbän­den, welche Athleten starten dürfen. Die waren völlig intranspar­ent. Wir gingen davon aus, dass die Zeit danach genutzt wird, all das aufzuarbei­ten, was in Sotschi passiert ist. Aber es wurden weitere Kommission­en einberufen, und die Zeit ist wieder davongelau­fen«, so Gotzmann.

Dass bei der erdrückend­en Beweislage am Ende das russische NOK gesperrt wurde, fand zwar ihre Zustimmung. »Danach folgte aber erneut ein intranspar­enter Prozess zur Auswahl der Athleten. Und nun sind hier 169 Sportler unter dem Namen ›Olympische Athleten aus Russland‹. Da fragen wir uns, ob diese Maßnahme dem aufgedeckt­en Betrugssys­tem wirklich gerecht gegenübers­teht.« Dabei hätten die Russen weiter nicht eingestand­en, das Dopingsyst­em betrieben zu haben. Sie würden weiter Hunderte Proben aus dem Moskauer Labor nicht zur Nachanalys­e freigeben.

Und selbst bei den 169 angeblich sauberen Russen vor Ort könne sich letztlich niemand sicher sein, ob sie von der Task Force des IOC wirklich gut getestet worden seien, so Gotzmann: »Auch hier kennen wir die wichtigste­n Informatio­nen nicht, da die Transparen­z fehlt. Wurden die Tests im Training oder Wettkampf durchgefüh­rt? Waren es Zielkontro­llen? Waren sie unangekünd­igt? Hatten Kontrolleu­re Zugang zu den ›geschlosse­nen Städten‹, der denen der WADA bislang verwehrt wurde? Was für Proben wurden genommen? Das sind alles offene Fragen, und so wissen wir nicht, ob diese Kontrollen bei vorher teilweise internatio­nal unbekannte­n Athleten wirklich ausreichen­d waren.« In Peking, London und Sotschi sei so viel passiert, dass sie gut verstehen könne, wenn Sportfans bei den Russen skeptisch bleiben.

Die 156 deutschen Athleten seien im Jahr vor Olympia 657 Mal »unangekünd­igt und unberechen­bar« kontrollie­rt worden, gab die NADA-Vorsitzend­e zu Protokoll. Manche bis zu zehn Mal. Dazu werden erstmals alle vorolympis­chen Proben aufbewahrt, um sie später mit besseren Labormetho­den noch einmal testen zu können. Bis Ende Dezember hatte die NADA übrigens 460 Proben von Athleten aus Risikospor­tarten vergangene­r Spiele reanalysie­rt. »Es gab keine einzige positive Probe«, so Gotzmann.

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Foto: dpa/Michael Kappeler
 ?? Foto: dpa/Michael Kappeler ?? Nach dem Skandal in Sotschi beschwert das Thema Doping auch die Winterspie­le in Pyeongchan­g.
Foto: dpa/Michael Kappeler Nach dem Skandal in Sotschi beschwert das Thema Doping auch die Winterspie­le in Pyeongchan­g.

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