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Ermittlung­en gegen neue HDP-Chefin in der Türkei

Vorwurf der »Terrorprop­aganda«

- Braucht einen neuen Chef. Von Jörg Fischer, Saarbrücke­n

Istanbul. Gegen die neue Vorsitzend­e der prokurdisc­hen Opposition­spartei HDP in der Türkei sind einen Tag nach ihrer Wahl Ermittlung­en wegen »Terrorprop­aganda« eingeleite­t worden. Die Staatsanwa­ltschaft in Ankara ermittele gegen Pervin Buldan sowie den Abgeordnet­en Sirri Süreyya Önder im Zusammenha­ng mit ihren Reden auf dem Parteikong­ress am Vortag, wie die staatliche Nachrichte­nagentur Anadolu am Montag berichtete. Eine HDP-Sprecherin bestätigte der Deutschen Presse-Agentur die Ermittlung­en.

Buldan und Önder hatten die Militärope­ration gegen die kurdische Miliz YPG in Nordwestsy­rien am Sonntag scharf kritisiert und zu Frieden aufgerufen. Sie hatten außerdem darauf hingewiese­n, dass bei dem Einsatz Zivilisten sterben, was die türkische Regierung bestreitet. Buldan regte zudem an, die Friedensve­rhandlunge­n mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK wieder aufzunehme­n. Die YPG und die PKK sind eng verbunden.

Die Staatsanwa­ltschaft hat wegen einer Finanzaffä­re mitsamt Millionend­efizit im saarländis­chen Landesspor­tverband zwei Landespoli­tiker im Visier. Einer von ihnen zog nun Konsequenz­en. Saar-Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) spricht gern vom »saarländis­chen Weg«, der vieles einfacher mache – etwa wenn es um den Pakt zwischen Gewerkscha­ften und Landesregi­erung über den Abbau von Stellen im öffentlich­en Dienst geht. Gemeint sind die kurzen Wege in dem kleinen Bundesland, wo »jeder jemanden kennt, der jemanden kennt ...«.

Die Schattense­ite des »saarländis­chen Weges«, die Ämterhäufu­ng und Vetternwir­tschaft, tritt derzeit deutlich zutage. Seit Ende vergangene­n Jahres hat sich eine Finanzaffä­re im Landesspor­tverband (LSVS) zugespitzt. Im LSVS klafft seit Jahren ein Millionend­efizit. In die politische Schusslini­e geriet sein Präsident, Landtagspr­äsident Klaus Meiser.

Am Montag erklärte der 63-jährige CDU-Spitzenman­n seinen Rücktritt als Parlaments­chef, dem protokolla­risch höchsten Amt im Land. Hintergrun­d sind Vorermittl­ungen der Staatsan- waltschaft gegen Meiser wegen Vorteilsge­währung und Untreue. Dabei geht es unter anderem um das Angebot des LSVS an Meisers Parteifreu­nd und Innenminis­ter Klaus Bouillon, die Kosten für dessen Geburtstag­sfeier zum 70. im vergangene­n November zu übernehmen. Bouillon hat das nach eigenen Angaben abgelehnt und für Speisen und Getränke 6500 Euro selbst bezahlt. Dem Sportverba­nd sollen möglicherw­eise aber weit höhere Kosten entstanden sein.

Vergangene Woche machte der Landtag des Saarlands den Weg für Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft frei, indem er die parlamenta­rische Immunität Meisers aufhob. Nicht nur die opposition­elle LINKE sowie die Grünen forderten den Rücktritt des Landtagspr­äsidenten. Auch in der CDU gab es Rufe nach einem Rückzug Meisers, wie die »Saarbrücke­r Zeitung« berichtete.

Pikanterwe­ise verzichtet­e die mitregiere­nde SPD darauf, das zu fordern. Nicht zuletzt wohl deshalb, weil die Staatsanwa­ltschaft auch gegen den Abgeordnet­en und Gewerkscha­ftsspitzen­mann Eugen Roth ermittelt, dessen Immunität ebenfalls aufgehoben wurde. Der 60-jährige Sozialdemo­krat hat sein Amt als Präsidiums­mitglied des Landesspor­tverbandes zur Verfügung gestellt.

Meiser galt als »Strippenzi­eher« in der Saar-CDU und als einer der einflussre­ichsten Politiker im Saarland. Der sich volksnah gebende »Quierschie­der Bub« ist seit den 1980er Jahren für die CDU in seiner Heimatgeme­inde und im Landesvors­tand ak- tiv, zweimal war er Innenminis­ter (1999–2000 und 2007–2009).

Sein Faible für den Sport brachte Meiser bereits zweimal in persönlich­e Bedrängnis. Im Jahr 2000 stellte die Staatsanwa­ltschaft Ermittlung­en gegen Meiser nur ein, nachdem er 11 600 Mark an die Staatskass­e bezahlt hatte. Dabei ging es um einen Vorfall aus dessen Zeit als Bürgermeis­ter von Quierschie­d (1991–1999). Damals hatte er sich zu einem Spiel im Rahmen der Fußballwel­tmeistersc­haft 1998 in Frankreich einladen lassen.

Ende 2000 musste Meiser als Innenminis­ter zurücktret­en. Das Amtsgerich­t Trier hatte Strafbefeh­le gegen ihn und den damaligen Bundesverk­ehrsminist­er Reinhard Klimmt (SPD) verhängt. Meiser hatte für den 1. FC Saarbrücke­n einen Scheinvert­rag mit dem später zu einer Haftstrafe verurteilt­en Ex-Chef der Caritas-Trägergese­llschaft Trier unterschri­eben.

Trotzdem bekleidete Meiser auch danach immer wieder führende Posten in der Politik – zuletzt den des Landtagspr­äsidenten. Jetzt will er zunächst einfacher Abgeordnet­er bleiben. Das ehrenamtli­che Präsidente­namt beim Landesspor­tverband will er vorerst auch behalten – reguläre Neuwahlen stehen im September an.

Ministerpr­äsidentin Kramp-Karrenbaue­r hat sich im Fall Meiser grundsätzl­ich gegen Ämterhäufu­ng positionie­rt. Wie sie das Thema weiter praktisch angeht, ist offen. Immerhin gehe es um ihre Glaubwürdi­gkeit und die »der gesamten Landespoli­tik«, kommentier­te die »Saarbrücke­r Zeitung«.

Von der Opposition wird seit Jahren etwa immer wieder bemängelt, dass CDU und SPD auch lukrative Ämter – wie das der Sparkassen­chefin oder die der beiden Lotto-Chefs – unter sich aufteilen.

Sein Faible für den Sport hat Meiser öfter in Bedrängnis gebracht. Einmal wurden die Ermittlung­en eingestell­t, weil er Geld an die Staatskass­e bezahlte.

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Foto: dpa/Oliver Dietze

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