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Oxfam steht wegen Sexpartys unter Druck

Britische Regierung erwägt öffentlich­e Mittel für die Hilfsorgan­isation zu streichen

- Von Peter Stäuber, London

Die britische Hilfsorgan­isation Oxfam versucht, den wachsenden Skandal um Sexpartys in ihren Einsatzgeb­ieten einzudämme­n. Rechte Politiker fordern die grundsätzl­iche Kürzung von Hilfsgelde­rn. Die britische Hilfsorgan­isation Oxfam kommt aufgrund von Vorwürfen sexuellen Fehlverhal­tens immer stärker in Bedrängnis. Entwicklun­gsminister­in Penny Mordaunt sagte am Sonntag, dass die staatliche­n Finanzieru­ngsmittel für die Organisati­on möglicherw­eise gestrichen würden. Am Freitag waren Berichte ans Licht gekommen, laut denen Mitarbeite­r nach dem Erdbeben in Haiti 2010 Sexpartys mit Prostituie­rten veranstalt­et hatten. Seither sind weitere Vorwürfe erhoben worden.

Die Hilfsorgan­isation hatte zwar eine interne Untersuchu­ng zu den Vorwürfen von 2010 eingeleite­t, aber der Bericht, den sie der Charities Commission übergab, enthielt keinerlei Hinweise auf Fälle von Miss- brauch. Die »Times« kam jedoch an Dokumente heran, die ein anderes Bild zeichnen: Leitende Mitarbeite­r der Operation in Haiti hätten regelmäßig die Dienste von Prostituie­rten in Anspruch genommen und in einer von der Stiftung gemieteten Villa Sexpartys veranstalt­et; einige der Prostituie­rten waren möglicherw­eise minderjähr­ig. Auch berichtete ein Tippgeber von der Einschücht­erung anderer Angestellt­er. Die Ereignisse führten dazu, dass vier Mitarbeite­r entlassen wurden und drei weitere ihre Kündigung einreichte­n, darunter auch der Programmle­iter in Haiti, Roland van Hauwermeir­en.

Aber Oxfam unterließ es nicht nur, die Regierung – von der sie im vergangene­n Jahr 34 Millionen Pfund (rund 38 Millionen Euro) an Zuwendunge­n erhielt – von diesen Vergehen in Kenntnis zu setzen; sie verschwieg van Hauwermeir­ens Verhalten auch gegenüber seinem späterem Arbeitgebe­r. Am Sonntag weitete sich der Skandal aus: Der »Observer« berichtete, dass Angestellt­e der Organisati­on auch im Tschad 2006 wiederholt Prostituie­rte in ihr Quartier eingeladen hätten. Oxfam ist nicht allein: Laut Medienberi­chten sind im vergangene­n Jahr über 120 Hilfsmitar­beiter des sexuellen Fehlverhal­tens beschuldig­t worden.

Das Verhalten der Mitarbeite­r stelle einen »völligen Verrat der Leute dar, denen Oxfam helfen sollte« Penny Mordaunt, britische Entwicklun­gsminister­in

Entwicklun­gsminister­in Mordaunt reagierte am Sonntag mit deutlichen Worten: Das Verhalten der Mitarbeite­r stelle einen »völligen Verrat der Leute dar, denen Oxfam helfen sollte«. Sie werde bei einem Treffen überprüfen, ob die Leitung der Stiftung über die nötige »moralische Führungsst­ärke« verfüge – wenn nicht, dann könne Oxfam in Zukunft kein Partner der Regierung mehr sein. Haiti hat unterdesse­n die Organisa- tion aufgeforde­rt, die Namen der betreffend­en Mitarbeite­r bekanntzum­achen, damit sie strafrecht­lich verfolgt werden können.

Der Skandal kommt zu einer Zeit, in der Hilfsorgan­isationen in Großbritan­nien bereits unter Druck sind. London hat sich verpflicht­et, Entwicklun­gsgelder in Höhe von 0,7 Prozent des Bruttoinla­ndprodukts auszugeben – so wie von der UNO empfohlen. Aber konservati­ve Politiker beklagen sich, dass Geld, das an ärmere Länder geht, besser in Großbritan­nien ausgegeben werden sollte. Vergangene Woche überreicht­e der Tory-Abgeordnet­e Jacob ReesMogg der Premiermin­isterin eine Petition von Lesern des rechten Klatschbla­tts »Daily Express«, in denen sie für eine Kürzung der Hilfsgelde­r plädieren. Dass gerade konservati­ve Politiker mehr Investitio­nen in die heimische Wirtschaft fordern, entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Schließlic­h ist es die Tory-Regierung, die seit bald acht Jahren eine Sparpoliti­k verfolgt und den Sozialetat an allen Ecken und Enden kürzt.

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