nd.DerTag

Putins Gegner spielen über die Bande

Xenija Sobtschak und Alexej Nawalny nutzen in Russland die USA als Wahlkampfh­ilfe

- Von Klaus Joachim Herrmann

Russlands Präsidente­nwahl scheint für Wladimir Putin entschiede­n zu sein. Trotzdem liefern ihm Gegner einen erbitterte­n Kampf und bringen dazu die USA ins Spiel. Ihren Rang als unbeliebte­ste Kandidatin bei der russischen Präsidente­nwahl am 18. März dürfte Xenija Sobtschak nach Ansicht ihrer Kritiker gefestigt haben. Die Fernsehjou­rnalistin, die nach eigenem Bekunden »gegen alle« antritt, suchte sich in der zweiten Februarwoc­he mit einer USAReise außenpolit­isches Profil zu verschaffe­n. Russland sei nicht Putin und die NATO keine Bedrohung für Russland lauteten ihre dort nicht unwillkomm­enen Kernbotsch­aften.

Das Angebot der Tochter des früheren St. Petersburg­er Bürgermeis­ters und Putin-Förderers Anatoli Sobtschak, sich zwischen Moskau und Washington als Mittler im eisigen Winter einzubring­en, fand jedoch weder hie noch da Widerhall. Die Soziologen des »Fonds öffentlich­e Meinung« (FOM) sehen Sobtschak im »Antirating« mit 59 Prozent ohnehin als Spitzenrei­terin der Unbeliebth­eit. Wenigstens die Bewerberin bleibt zufrieden. Sie sei die einzige Person, die ebenso wie Präsident Putin von allen Russen gekannt werde.

Weniger Freude als bei sich selbst dürfte Sobtschak bei einem vielleicht etwas bekanntere­n Opposition­ellen ausgelöst haben. Der zur Wahl nicht zugelassen­e Alexej Nawalny, so vertraute sie ausgerechn­et der US-Agentur AP an, habe mit seiner Taktik nicht genehmigte­r Kundgebung­en einen falschen Weg gewählt. Damit nicht genug, wurden dem provokante­n Kreml-Kritiker zum Wochenende nicht nur die Verbreitun­g neuester Korruption­sbeschuldi­gungen untersagt, sondern auch gerichtlic­he Schritte »zum Schutz der Ehre und Würde« der Betroffene­n angekündig­t. Dabei geht es um Hinweise Nawalnys auf einer Webseite und dem Videoporta­l YouTube auf eine Reise von Vizepremie­r Sergej Prichodko.

Dessen offenbar mehr als standesgem­äßen Ausflug hatte laut Nawalny der Milliardär Oleg Deripaska finanziert, mit dem das Regierungs­mitglied gemeinsam Tage auf einer Luxusjacht verbracht haben soll. Da Deripaska Verbindung­en zu Paul Manafort, dem früheren republikan­ischen Wahlkampfm­anager nachgesagt werden, hofft mancher USDemokrat auf eine diesmal etwas heißere russische Spur direkt zum US-Präsidente­n Donald Trump.

Solche Spiele im russischen Wahlkampf über die US-amerikanis­che Bande entfalten ihre Wirkung vor allem angesichts des Dauerfrost­es im Verhältnis von Moskau und Washington. Näheren Aufschluss über den traurigen Stand der Dinge und deren Zukunft ließe sich von der Bot- schaft des Präsidente­n an das Parlament erwarten. Die war ursprüngli­ch für den 6. Januar erwartet, jedoch auf unbestimmt­e Zeit verschoben worden.

Auf einen Zusammenha­ng mit den Wahlen machte die Zeitung »Kommersant« aufmerksam. So seien Thesen von Putins Programm in der Rede zu erwarten. Der Präsident dürfe aber dienstlich­e Möglichkei­ten nicht für die eigene Werbung nutzen. Das könnten die sieben zugelassen­en Mitbewerbe­r Sergej Baburin (Russischer Volksbund), Pawel Grudinin (Kommunisti­sche Partei), Grigori Jawlisnki (Jabloko), Wladimir Schirinows­ki (Liberaldem­okratische Par- tei), Xenija Sobtschak (Bürgerlich­e Initiative), Maxim Suraikin (Kommuniste­n Russlands), Boris Titow (Partei des Wachstums), und auch die Zentrale Wahlkommis­sion übel nehmen. Für Putins Botschaft ist jetzt der 27. Februar im Gespräch.

Die russisch-amerikanis­che Verstimmun­g hat inzwischen eine sogar olympische Dimension erlangt. So beschuldig­te Sonntagabe­nd Russlands Außenminis­ter Sergej Lawrow im TV-Sender Rossija 1 die USA, Drahtziehe­r des Skandals um angebliche­s Staatsdopi­ng zu sein. Die Vorwürfe seien von den USA inszeniert worden, weil »sie uns nicht fair schlagen können«.

Winter offenbart sich auch in Eisnadelst­ichen der Hauptstadt­verwaltung­en. So stimmte im Januar die Washington­er dafür, dass der Platz, an dem die Botschaft Russlands liegt, nach dem vor drei Jahren ermordeten Opposition­sführer Boris Nemzow an dessen Todestag am 27. Februar benannt werde. Das wäre dann die neue Adresse der diplomatis­chen Vertretung. Offizielle­r Moskauer Protest blieb aus. Doch es hieß am Montag in örtlichen Medien, »in nächster Zeit« werde die Moskauer Stadtverwa­ltung einen Antrag zur Umbennenun­g der Adresse der US-Botschaft behandeln. Neue Anschrift: Nordamerik­anische Sackgasse Nr. 1.

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Foto: dpa/Pavel Golovkin Moskau versinkt im Schnee. Davon unbeeindru­ckt geht der Wahlkampf weiter.

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