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Ein einfaches »Sorry« reicht nicht

Australisc­he Aborigines warten auf Taten und fühlen sich noch immer diskrimini­ert

- Von Barbara Barkhausen, Sidney

Der australisc­he Ex-Premier Kevin Rudd hat sich 2008 bei den Aborigines für das Leid entschuldi­gt, das ihnen angetan wurde. Doch auch zehn Jahre danach sind sie noch immer in vielem benachteil­igt. Als ein Flugzeug vor zehn Jahren »Sorry« an den Himmel über Sydney schrieb, war der Jubel groß. Wenige Wochen später ging eine Rede des damaligen australisc­hen Premiers Kevin Rudd in die Geschichts­bücher ein. Damals, am Morgen des 13. Februar 2008, entschuldi­gte sich der Sozialdemo­krat im Parlament in Canberra für alles Unrecht, das den Ureinwohne­rn widerfahre­n ist. Doch konkrete Taten fehlen seitdem weitestgeh­end.

»Heute ehren wir die indigene Bevölkerun­g dieses Landes, die älteste fortlebend­e Kultur in der Geschichte der Menschheit«, sagte Rudd damals. »Wir reflektier­en ihre Misshandlu­ng in der Vergangenh­eit, wir reflektier­en vor allem die Misshandlu­ng, die die erfahren mussten, die zur gestohlene­n Generation gehörten – diesem befleckten Kapitel in der Geschichte unserer Nation.« Diese »gestohlene Generation« waren etwa 100 000 Kinder, die in der Zeit von 1900 bis in die 70er Jahre ihren indigenen Familien gewaltsam weggenomme­n wurden und bei Pflegefami­lien, in Waisenhäus­ern oder ähnlichen Institutio­nen aufwachsen mussten und dort oftmals misshandel­t wurden.

Mit der damaligen Entschuldi­gung sollte auch die Annäherung an den Lebensstan­dard der restlichen Bevölkerun­g in Angriff genommen werden, die »Lücke geschlosse­n« werden. Doch der zehnte »Closing the Gap«-Bericht zeigte am Montag nach wie vor große Diskrepanz­en, auch wenn er einige Erfolge verbuchen konnte.

So sterben heute deutlich weniger indigene Kinder, bevor sie das Grundschul­alter erreichen. Zwischen 2011 und 2014 starben Aborigine-Kinder zwischen null und vier Jahren noch doppelt so häufig wie nicht-indigene Kinder. Außerdem werden inzwischen mehr indigene Kinder in Kindergärt­en eingeschri­eben und deutlich mehr Aborigines schaffen ihren Schulabsch­luss.

Drei Ziele konnten somit erreicht werden oder sind zumindest auf dem richtigen Weg. Doch andere zeigten die nach wie vor eklatante Kluft zwischen der indigenen und der restlichen Bevölkerun­g des Landes. So gehen die Kinder der Ureinwohne­r nach wie vor nicht ebenso regelmäßig zur Schule wie andere Kinder in Australien und erreichen nicht die gleich guten Ergebnisse bei standardis­ierten Leseund Mathematik­tests. Auch das Ziel, die Arbeitslos­enquote von Aborigines zu verringern, wurde nicht australien­weit erfüllt. Die Lebenserwa­rtung der Ureinwohne­r ist nach wie vor geringer als im restlichen Australien.

Rudd, der die »Closing the Gap«Strategie 2008 einst eingeführt hatte, äußerte sich in australisc­hen Medien trotzdem einigermaß­en zufrieden mit den Ergebnisse­n, die die derzeitige konservati­ve Regierung unter Malcolm Turnbull erreicht hat. Die ursprüngli­chen Ziele zu erreichen, sei nie leicht gewesen, denn »200 Jahre Benachteil­igung zu überwinden ist eine verdammt harte Sache«, sagte er im Interview mit dem Sender Sky News.

Michael Anderson, ein Aborigine-Führer der Euahlayi-Nation und das letzte überlebend­e Gründungsm­itglied der Zelt-Botschaft der Aborigines in Canberra, nannte die »Closing the Gap«-Strategie und die Entschuldi­gung jedoch einen »Tropfen auf den heißen Stein«. In einer Pressemitt­eilung schrieb der Aktivist, dass das weit entfernt von einem Vertrag und einer Dekolonial­isierung sei, für die er kämpfe.

Bereits im Mai 2017 hatten sich 250 Vertreter der australisc­hen Ureinwohne­r bei einem historisch­en Treffen am Uluru – besser bekannt als »Ayers Rock« – für einen Vertrag ausgesproc­hen, wie dies andere indigene Nationen vor ihnen bereits getan haben. Außerdem verlangten sie eine in der Verfassung verankerte Stimme im Parlament. Turnbull hat letzteres kategorisc­h abgelehnt. Auch ein Vertrag wird derzeit nicht diskutiert.

Etwa 100 000 Kinder zählt die »gestohlene Generation«, die bis in die 70er Jahre gewaltsam ihren Eltern entrissen wurde.

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