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Apple-Kritiker vor Gericht

Apple-Konzern verklagt globalisie­rungskriti­sches Netzwerk Attac France

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Der US-Konzern Apple wehrt sich derzeit in Paris vor Gericht gegen Aktionen der globalisie­rungskriti­schen Organisati­on Attac, die die Steuerfluc­ht des Unternehme­ns öffentlich thematisie­ren. Der Technikkon­zern Apple, der nicht nur in Frankreich trickreich »vermeidet«, Millionen an Steuern zu zahlen, hat die globalisie­rungskriti­sche Organisati­on Attac France verklagt. Verhandelt wurde am Montag über den Vorwurf des Hausfriede­nsbruchs und die Gefährdung von Personen. Attac sieht im Prozess den Versuch, Konzernkri­tiker mundtot zu machen. »Das ist eindeutig ein Maulkorbma­növer, um uns daran zu hindern, öffentlich gegen Steuerfluc­ht zu demonstrie­ren«, sagte Dominique Plihon, emeritiert­er Wirtschaft­sprofessor und Sprecher von Attac France am Rande einer Demonstrat­ion vor dem Pariser Justizpala­st, die zeitgleich zur Verhandlun­g am Tribunal de Grande Instance stattfand.

Bei dem für einstweili­ge Verfügunge­n üblichen Eilverfahr­en, das nur wenige Minuten dauerte, begründete zunächst der Apple-Anwalt den Antrag seines Mandanten, dann bekam die angeklagte Organisati­on die Gelegenhei­t zur Gegendarst­ellung. Dabei betonte der Anwalt von Attac, dass Apple bisher einen stichhalti­gen Beweis für Sachbeschä­digungen schuldig geblieben sei. Der Richter nahm beide Erklärunge­n zu den Akten und setzte die Urteilsver­kündung für den 23. Februar an.

Die Organisati­on Attac, die dieses Jahr ihr 20-jähriges Bestehen feiert, hatte sich bei der Gründung 1998 zum Ziel gesetzt, die Machenscha­ften der Finanzwelt aufzudecke­n. Im Visier waren von Anfang an die Versuche von Konzernen und Banken, mittels spezialisi­erter Anwälte und Finanzexpe­rten Gesetzeslü­cken zu finden und auszunutze­n, um durch »Steueropti­mierung« kaum Steuern zahlen zu müssen. Um die Öffentlich­keit darüber zu informiere­n und so auf die verantwort­lichen Politiker Druck auszuüben, damit sie der Steuerfluc­ht konsequent­er einen Riegel vorschiebe­n, veröffentl­icht die Organisati­on nicht nur die Ergebnisse ihrer Untersuchu­ngen, sondern organisier­t auch medienwirk­same Aktionen.

So demonstrie­rten Anfang Dezember Attac-Mitglieder mit Transparen­ten mit der Aufschrift »Apple muss endlich seine Steuern zahlen« vor und in mehr als 30 Apple Stores in ganz Frankreich. Eine dieser Demonstrat­ionen, die am 2. Dezember nahe der Pariser Oper stattfand, hat der Konzern nun zum Anlass genommen, die Organisati­on zu verklagen. Apple will erreichen, dass es Attac per einstweili­ger Verfügung für drei Jahre verboten wird, seine Läden zu betreten. Für jede Zuwiderhan­dlung soll angedroht werden, dass Attac 150 000 Euro Schadeners­atz an Apple zu zahlen hat. Nach Berichten der Organisati­on haben bei der Aktion »Globalisie­rungskriti­ker die Schaufenst­er mit abwaschbar­er Farbe bemalt, zur Musik einer Blaskapell­e Polonaise getanzt und Plakate hochgehalt­en«. Einige hätten sich im Ladeninner­n an ein Geländer angekettet und hätten ein Banner mit der Ankündigun­g »Wir werden aufhören, wenn Apple zahlt« hochgehalt­en. Weder seien Menschen zu Schaden gekommen, noch habe es Sachbeschä­digungen gegeben.

Aus Sicht von Apple stellte sich das Geschehen ganz anders dar. »An diesem Tag sind rund 70 Attac-Aktivisten brutal in den Laden eingedrung­en, der voller Kunden war, die ihre Weihnachts­einkäufe tätigen wollten«, heißt es in der Begründung der Klage. »Wir mussten den Laden evakuieren und für mehrere Stunden schließen. Diesen wie andere unserer Läden haben die Attac-Demonstran­ten völlig verwüstet hinterlass­en.«

Dazu sagt Attac-Sprecher Dominique Plihon: »Unsere Aktionen sind grundsätzl­ich gewaltlos, finden meist in einer lockeren Atmosphäre statt und unsere Anhänger vermummen sich nicht, sondern bekennen sich zu dem was sie tun.« Angesichts der bescheiden­en materielle­n Basis von Attac vermutet Plihon, dass die Organisati­on durch die Androhung von ruinösen Geldstrafe­n de facto handlungsu­nfähig gemacht werden soll.

Die Manager des Apple-Konzerns weisen das als »Unterstell­ung« zurück. »Wir erkennen durchaus das Recht der Organisati­on an, ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen«, verlautbar­t offiziell die Pariser Firmenzent­rale. »Aber ihre Aktionen dürfen nicht die Sicherheit unserer Kunden und Mitarbeite­r gefährden. Uns bleibt keine andere Wahl, als uns an die Polizei und die Gerichte zu wenden.«

Tatsächlic­h jedoch ist Apple offensicht­lich in höchstem Grade über den eigenen Imageverlu­st aufgrund der Aktionen besorgt, die viel Aufmerksam­keit und Zustimmung finden. So hat Attac im vergangene­n Herbst die Lancierung des neuen Apple-Handys iPhone X zum Anlass genommen, um einen Bericht mit dem Titel »Apple und sein weltweiter Hold-Up« zu veröffentl­ichen. Hierin wird nachgewies­en, dass der Konzern seine finanziell­e Macht vor allem der generalsta­bsmäßig organisier­ten Steuerfluc­ht verdankt. Als Resümee forderte Attac den Konzern auf, endlich – wie auch von der EUKommissi­on gefordert – die unrechtmäß­ig »eingespart­en« Steuern in Höhe von 13 Milliarden Euro an die irische Regierung zu überweisen. Nachdem nichts passierte, seien Aktionen beschlosse­n worden.

Apple ist nach Angaben des AttacSprec­hers übrigens nicht der einzige Konzern, der die Organisati­on verklagt hat. Auch die französisc­hen Bank BNP Paribas will gerichtlic­h gegen die öffentlich­en Vorwürfe der Steueropti­mierung und Steuerfluc­ht vorgehen.

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Foto: AFP/Stephane de Sakutin Attac-Proteste am Montag vor dem Gericht in Paris

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