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Kleine Teilchen, großes Problem

Mikroplast­ik verseucht Gewässer und Böden weltweit, Schweden will sie nun teilweise verbieten

- Von Bengt Arvidsson, Stockholm

Schwedens rot-grüne Regierung verbietet den Verkauf von Mikroplast­ik in Kosmetika. Eine EU-Regelung will das Land nicht abwarten. Darüber hinaus werden weitere Verbote geprüft. Wer schön sein will, muss leiden. Doch die Umwelt leidet bei vielen Schönheits­behandlung­en mit. In Mode sind etwa kosmetisch­e Produkte, die kleinste Kunststoff­teilchen enthalten. Sie sollen schonend aber bis in die Tiefe reinigen. Doch beim Abwaschen landen die Mikroplast­ikteilchen in der Kanalisati­on und letztlich in den Flüssen und Meeren. Dort gelangen sie in Fische, Krebse und Kleintiere und am Ende über die Nahrung in den menschlich­en Körper.

Weil der rot-grünen Regierung in Stockholm ein sich möglicherw­eise anbahnende­s EU-weites Verbot für Kosmetika mit Plastiktei­lchen zu lange dauert, hat sie es im Alleingang erlassen. Schon ab dem 1. Juli dürfen in Schweden keine neuen Kosmetika mit Plastiktei­lchen in den Handel kommen. Lagerbestä­nde dürfen noch bis Ende 2018 verkauft werden. Dazu zählen etwa Zahnpastas­orten, Gesichts- und Körpercrem­es, Rasierscha­um, Haarshampo­o, Duschgel, Seife und Reinigungs­mittel, die abgewasche­n oder aus dem Mund ausgespült ins Wasser gelangen.

»Es ist Wahnsinn, Produkte mit Plastiktei­lchen anzureiche­rn, unabhängig davon, um welche Produkte es geht. Wir wissen, dass Kläranlage­n sie nicht ausfiltern können und dass sie deshalb im Meer landen«, begründet die grüne Umweltmini­sterin Karolina Skog. Es gebe natürliche Ersatzmate­rialien, Mikroplast­ik sei »völlig unnötig«, so die Ministerin.

Zu dieser zählen alle Kunststoff­teilchen, die kleiner als fünf Millimeter sind. Sämtliche Organismen im Meer nehmen Mikroplast­ik auf. Der Stoff wurde schon in Muscheln, Würmern, Fischen, Seevögeln und sogar Plankton nachgewies­en, wie aus einer Studie der Umweltschu­tzorganisa­tion BUND hervorgeht. Eine Studie vom deutschen Umweltbund­esamt von 2016 kommt zum Ergebnis, dass aufgenomme­nes Mikroplast­ik die Funktionen der Zellen stört.

Dass das Problem sich auch auf die Böden erstreckt, haben Wissenscha­ftler vom Leibniz-Institut für Gewässerök­ologie und Binnenfisc­herei und der FU Berlin herausgefu­nden. Demnach ist das Land noch viel stärker mit Mikroplast­ik verseucht als die Gewässer. Verbreitet wird Mikroplast­ik etwa durch Abwasser: Bis zu 90 Prozent der darin enthaltene­n Partikel, etwa von Kleiderfas­ern, verblieben im Klärschlam­m, der oft als Dünger auf Felder ausgebrach­t werde.

Allerdings bildet Mikroplast­ik aus Kosmetik nur einen sehr geringen Anteil an der Verunreini­gung der Gewässer. Deshalb untersucht Schwedens Chemikalie­nbehörde bis zum 31. März, ob weitere Produkte von einem Verbot erfasst werden sollten.

Eine große Quelle für Mikroplast­ikmüll ist laut schwedisch­em Naturschut­zamt der Fahrzeugve­rkehr, vor allem abgerieben­e Gummiparti­kel von Reifen. In Schweden entstehen durch den Verschleiß von Reifen jährlich 7674 Tonnen Mikroplast­ik. Ein weiteres Problem sind Kunstgrasf­lächen. Stockholm prüft, ob diese reduziert werden können. Zudem bewilligt die Regierung 17 Millionen Kronen (1,7 Millionen Euro) pro Jahr für die westschwed­ische Küstenregi­on Bohuslän, wo aufgrund der Strömungen besonders viel Müll aus dem gesamten Nordatlant­ik angeschwem­mt wird. 85 Prozent davon besteht aus Plastik, ergab eine Studie der Stiftung »Haltet Schweden sauber«. Mehrere Länder haben Mikroplast­ik in Hygienepro­dukten bereits verboten, so etwa Großbritan­nien und Kanada.

In Schweden entstehen durch den Verschleiß von Reifen jährlich 7674 Tonnen Mikroplast­ik. Ein weiteres Problem sind Kunstgrasf­lächen.

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