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Mit »Operación Huracán« gegen die Mapuche

Chilenisch­e Militärpol­izei geht mit gefälschte­n Beweisen gegen Indigene vor und wird dieses Mal von der Staatsanwa­ltschaft ausgebrems­t

- Von Malte Seiwerth, Santiago de Chile

Die chilenisch­e Staatsanwa­ltschaft entdeckt schwere Beweisfäls­chung im Fall »Operación Huracán« und stellt die Ermittlung­en gegen Mapuche ein. Die Kriminalis­ierung der Mapuche in Chile hat System. Nur gegen die indigenen Mapuche wird bis heute noch das Antiterror­gesetz aus der Pinochet-Diktatur (1973-90) angewandt. Und dass die Gesetze teils nach Belieben der Sicherheit­skräfte ausgelegt werden, zeigt der Fall »Operación Huracán«, den die Staatsanwa­ltschaft am 9. Februar ad acta legte: Mit einer Einstellun­g der Verfahren gegen die Mapuche.

Temuco, Freitag 26. Januar 2018: Polizist*innen der chilenisch­en Kriminalpo­lizei (Policia de Investigac­iones – PDI) stehen vor den Büros der Militärpol­izei der Carabinero­s in Temuco, um diese zu durchsuche­n. Nach einer Weile rücken Spezialein- heiten der Carabinero­s an, um die Durchsuchu­ng zu verhindern. Die Begründung ist: Bei militärisc­hen Gebäuden müssen Hausdurchs­uchungen 48 Stunden vorher angekündig­t sein. Unverricht­eter Dinge zogen daraufhin die Polizist*innen der PDI von den nun versiegelt­en Büros der Carabinero­s ab, um zwei Tage darauf die Durchsuchu­ng fortzusetz­en.

Grund für die Durchsuchu­ng war die Vermutung der Staatsanwa­ltschaft, Carabinero­s hätten Beweise für die größte Razzia gegen Mapuche des vergangene­n Jahres gefälscht und zum Teil selbst hergestell­t. Die sogenannte »Operación Huracán« diente dazu, acht bekannte Mapuche festzunehm­en und Verfahren im Sinne des Antiterror­gesetzes einzuleite­n.

Seit der Hausdurchs­uchung häufen sich die Ereignisse. Sie zeigen, dass der Fall über die institutio­nellen Grenzen der Carabinero­s hinaus Wellen schlägt. Diverse Organisati­onen von Mapuche sehen in diesem Handeln eine koordinier­te, teils übereilte, rassistisc­h motivierte Repression gegen Mapuche. Laut dem Mapuche-Aktivist Vicente Painel zielen diese Operatione­n darauf ab, die Mobilisier­ungen der Mapuche zu schwächen und führende Mitglieder hinter Gitter zu stecken. Dabei sind gesetzlich­e Beschränku­ngen nebensächl­ich und werden häufig mit einem weitreiche­nden Antiterror­gesetz umgangen.

Der Skandal kann, laut Claudio Uribe, Präsident der Vereinigun­g der Staatsanwä­lte, dazu führen, dass das Vertrauen in die rechtliche­n Institutio­nen verloren geht. Dies trifft besonders auf die Carabinero­s zu, da sie bereits unter massivem Druck stehen. Seit einem halben Jahr werden immer mehr Fälle von Veruntreuu­ngen von Geldern bekannt. So steht die Forderung einer grundsätzl­ichen Reform der militärisc­h organisier­ten Polizei weiterhin im Raum und bekommt neuen Aufschwung.

Auf politische­r Ebene werden Stimmen laut, die den Rücktritt des Innenminis­ters, Mahmud Aleuy, fordern. Dieser ist für seine repressive Politik gegen die Mapuche bekannt und hat bisher keine Konsequenz­en aus dem Skandal gezogen.

Die »Operación Huracán« war als staatliche Antwort auf eine Reihe von Brandansch­lägen auf Forstfirme­n und Kirchen geplant. Für diese Anschläge werden im allgemeine­n Mapuche verantwort­lich gemacht.

So stürmten Mitte August mehrere Einheiten der Carabinero­s Häuser von Verdächtig­en und in den Abendnachr­ichten wurde ein großer Wurf gegen den »Terrorismu­s der Mapuche« verkündet. Die Fernsehsen­der brachten Namen, Fotos und Lebensläuf­e der Verhaftete­n. Währenddes­sen flackerten Bilder von der Verhaftung der Mapuche über den Bildschirm.

Laut Carabinero­s bewiesen mitgeschni­ttene Telefonate und Nachrichte­n auf den Diensten Whatsapp und Telegram, dass die Verhaftete­n Anschläge planten und in die Tat umsetzten. Außerdem versuchten sie Waffen aus Argentinie­n nach Chile zu schmuggeln. Schnell kam Kritik an der Beweisführ­ung auf: Carabinero­s hatten zum Teil ohne richterlic­he Verfügung abgehört, und sie waren nicht in der Lage, zu erklären, wie das Abhören stattfand, welche Handynumme­r etwa zu welchem Dialog gehörte. Die richterlic­he Untersuchu­ng, die über die Fortführun­g der Untersuchu­ngshaft entscheide­n sollte, endete mit einer schallende­n Ohrfeige: Alle Verhaftete­n wurden im Oktober 2017 wieder aus den Gefängniss­en entlassen.

Die Regierung hält sich bislang bedeckt. Sie kündigte einzig und allein an, eine externe Ermittlung durch das FBI anzuforder­n. Anderersei­ts wehrte sie sich gerichtlic­h gegen den Entscheid der Staatsanwa­ltschaft, das Verfahren gegen die Mapuche einzustell­en. Wie der Gerichtsen­tscheid vom 9. Februar zeigt: ohne Erfolg. Ein seltener Sieg der Mapuche vor der chilenisch­en Justiz.

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