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Bürokratis­che Hürden senken

Heftiges Tauziehen um neues Gesetz zur Vergabe öffentlich­er Aufträge in Thüringen

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Es geht um öffentlich­e Aufträge im Wert von jährlich vielen Millionen Euro in Thüringen. Wie sie vergeben werden, regelt das Landesverg­abegesetz. Dessen geplante Reform sorgt für Interessen­konflikte.

Erfurt. Die Regeln zur Vergabe öffentlich­er Aufträge in Thüringen sind heftig umstritten. »Das Gesetz ist überfracht­et. Wenn es in dieser Form bleibt, könnte es zum Hindernis für öffentlich­e Auftraggeb­er werden«, sagte der Geschäftsf­ührer der Handwerksk­ammer Erfurt, Thomas Malcherek, der dpa. Kritik kommt auch von der CDU, die die größte Opposition­sfraktion im Landtag stellt.

Thüringens Wirtschaft­sminister Wolfgang Tiefensee (SPD) kündigte an, dass die seit Monaten diskutiert­e Reform des Vergabeges­etzes im Sommer von der rot-rot-grünen Landesregi­erung beschlosse­n werden soll. Die CDU warf Tiefensee Zeitverzug von etwa einem Jahr vor.

Ziel sei es, bürokratis­che Hürden zu senken, den Rechtsschu­tz für Bieter zu verbessern sowie den Zugang kleiner Unternehme­n zu öffentlich­en Aufträgen zu erleichter­n, er- klärte der Minister. Er sprach von einem Nachjustie­ren, einer behutsamen Veränderun­g. Vorgesehen sei die Einführung eines Bestbieter-Systems. Danach müssten Formblätte­r und Erklärunge­n nur noch von dem voraussich­tlich erfolgreic­hen Bieter vorgelegt werden. Ökologisch­e und soziale Kriterien sollen entscheide­nd sein, wenn die öffentlich­en Auftraggeb­er zwischen sonst gleichwert­igen Angeboten von Unternehme­n entscheide­n müssten, so der Wirtschaft­sminister.

Der Geschäftsf­ührer der Handwerksk­ammer schloss nicht aus, dass sich manche Handwerker angesichts der guten Auftragsla­ge und vieler Regeln im Gesetz künftig überlegten, »ob sie sich dem Szenario einer öffentlich­en Ausschreib­ung noch stellen«.

Die Thüringer Regionalge­schäftsfüh­rerin des DGB, Renate Licht, forderte, das Vergabeges­etz so zu verändern, »dass bei öffentlich­en Aufträgen Lohn- und Sozialdump­ing verhindert wird«. Sie plädierte unter anderem für einen »vergabespe­zifischen Mindestloh­n in Höhe der untersten Lohngruppe des Tarifvertr­ags für Beschäftig­te im öffentlich­en Dienst«. Das stößt auf Widerstand der Wirtschaft. Derzeit erhalte in der Regel der billigste Anbieter den Zuschlag, »was zu einer Unterbietu­ngskonkurr­enz über Löhne und Gehälter führt«, sagte Licht.

Der Wirtschaft­spolitiker der CDULandtag­sfraktion, Mario Voigt, verlangte von der Landesregi­erung ein schlankes und unbürokrat­isches Vergabeges­etz. Auf den Gesetzentw­urf würde bereits seit mehr als einem Jahr gewartet. Und das, obwohl die Regierung mit dem kürzlich beschlosse­nen Landeshaus­halt die öffentlich­en Investitio­nen erhöht habe.

Mit dem Zeitverzug beim Vergabeges­etz soll sich nach dem Willen der CDU-Fraktion nun der Wirtschaft­s- ausschuss des Landtags in seiner nächsten Sitzung befassen. Seine Fraktion habe bereits Ende 2016 einen eigenen Gesetzentw­urf vorgelegt, so Voigt.

Laut Tiefensee werden derzeit zwölf Eckpunkte für das neue Vergabeges­etz mit Wirtschaft und Gewerkscha­ften diskutiert. Ein erster Entwurf werde erarbeitet. Er solle in den nächsten Tagen in die sogenannte Ressortabs­timmung zwischen den Ministerie­n gehen. Er gehe davon aus, dass die sehr unterschie­dlichen Interessen und Auffassung­en von Wirtschaft und Gewerkscha­ften in eine gute Balance gebracht werden könnten, so der Minister. Anhörungen, auch der Kommunen, seien Ende März oder Anfang April geplant. Das Wirtschaft­sministeri­um hatte im Vorfeld ein Gutachten zur Überprüfun­g der bestehende­n Vergabereg­eln in Auftrag gegeben.

Nach Zahlen des Thüringer Finanzmini­steriums will das Land in diesem und dem kommenden Jahr mehr als 1,6 Milliarden Euro in Investitio­nen stecken. Der Investitio­nsanteil am Landeshaus­halt liegt bei rund 15 Prozent.

Der Entwurf soll in den nächsten Tagen in die sogenannte Ressortabs­timmung zwischen den Ministerie­n gehen.

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