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»Es wird ohne Glyphosat gehen«

Besuch auf dem Hof des CSU-Fraktionsc­hefs in der Heimat von Agrarminis­ter Schmidt (CSU)

- Von Ralf Hutter, Fürth

In Bayern beschloss der Stadtrat von Fürth im Dezember den umfassende­n Ausstieg aus der Nutzung von Glyphosat. Auch alle zwölf CSU-Abgeordnet­en stimmten dafür – zur Überraschu­ng etwa der Grünen. Vor dem Hoftor auf der Straße sitzt eine Katze, beim Klingeln an der Haustür öffnet die Großmutter, im Kuhstall arbeitet einer der Söhne, und bei der kurzen Hofführung wird der Bauer von einem Hund begleitet. Hier in Burgfarrnb­ach werden Land- und Viehwirtsc­haft noch von Bauernhöfe­n betrieben, auf denen es wie im Bilderbuch zugeht. Einer davon ist der Helm-Hof, der am Rand des mittelfrän­kischen Dorfes liegt. »Hier sind die Kälber bei den Müttern«, erklärt Dietmar Helm, nachdem er ein Stalltor geöffnet hat. »Und hier ist ein reiner Strohliege­bereich, wo jedes Tier sich seinen Platz selbst suchen kann.«

In Hemd, Strickjack­e und Jeans, mit der Lesebrille auf der Nase führt der Noch-Chef – sein Sohn soll bald übernehmen – durch den Familienbe­trieb mit 50 Kühen und Getreidean­bau. Er redet über Tierwohl und Transparen­z durch Einsehbark­eit von draußen. »Bio-Standard ohne Bio-Zertifizie­rung«, sagt der 50-Jährige von seinem Hof. Und: »Null Glyphosat-Einsatz. Glyphosat-Einsatz ist für den Großteil der Landwirtsc­haft mit Sicherheit kein Thema.«

Dafür ist das Pflanzenve­rnichtungs­mittel Glyphosat ein großes Thema für die restliche Bevölkerun­g. Es ist für den Schwund der Artenvielf­alt mitverantw­ortlich, kann sich genetisch auswirken und ist vielleicht sogar krebserreg­end.

Dietmar Helm hat nicht nur als langjährig­er Landwirt mit dem Thema zu tun, sondern auch in seiner Eigenschaf­t als Vorsitzend­er der CSUFraktio­n im Stadtrat der Großstadt Fürth, zu der Burgfarrnb­ach gehört. Der Stadtrat beschloss am 20. Dezember den umfassende­n Ausstieg aus der Nutzung von Glyphosat. Fürther Behörden sollen so schnell wie möglich auf dieses weltweit am häufigsten genutzte Pflanzenve­rnichtungs­mittel verzichten. Firmen, die städtische Flächen bearbeiten, sollen zum Verzicht gezwungen werden. Zudem sollen sich Beratungse­inrichtung­en zum Thema Pflanzensc­hutz entspreche­nd aufstellen.

Der Beschluss fiel einstimmig, wurde also auch von den zwölf CSU-Abgeordnet­en mitgetrage­n. Das mag durchaus überrasche­n, auch wenn Dietmar Helm das anders sieht. Glyphosat komme in einer Stadt kaum zum Einsatz, dürfe auf versiegelt­en Flächen gar nicht verwendet werden, sagt er. Dass Glyphosat seitens städtische­r Stellen und von ihnen beauftragt­er Unternehme­n tatsächlic­h nicht benutzt wird, bestätigt ein Sprecher des Rathauses auf Anfrage. Helm beklagt eine gesellscha­ftliche Hysterie bei der Kritik an dieser Chemikalie: »Ich gehe davon aus, dass zehn bis zwanzig Prozent der deutschen Flächen in unregelmäß­igen Abständen mit Glyphosat behandelt werden.« Das ist für ihn sehr wenig.

Harald Riedel jedenfalls, Vorsitzend­er der Grünen-Fraktion im Fürther Stadtrat, hat es überrascht, dass die CSU beim Anti-Glyphosat-Antrag mitgegange­n ist. Damit habe sie sich, so findet Riedel, gegen ihren Parteifreu­nd Christian Schmidt gestellt, den Bundesland­wirtschaft­sminister. Schmidt hatte kurz davor auf EU-Ebene für die weitere Zulassung von Glyphosat gestimmt, obwohl das SPD-geführte Bundesumwe­ltminister­ium dies ablehnte und er sich deswegen hätte enthalten müssen. Sein Vorgehen löste einen Sturm der Entrüstung aus.

Besonders interessan­t ist die Haltung der Fürther CSU-Fraktion aber auch, weil der Noch-Landwirtsc­haftsminis­ter aus dieser Gegend stammt. Seit 1990 hat Christian Schmidt hier bei jeder Bundestags­wahl das Direktmand­at gewonnen – wenn auch nur, weil Fürth da mit zwei ländlichen

CSU-Minister Schmidt hatte auf EU-Ebene für die weitere Zulassung von Glyphosat gestimmt.

Landkreise­n zusammen einen Wahlkreis bildet und so die SPD-Dominanz in der Stadt nicht zum Tragen kommt.

Rebelliert nun die Fürther CSU-Basis? Nein, Helm sieht sich im Grunde auf einer Linie mit Schmidt: »Er war der Meinung, man könne nicht verhindern, dass die EU-Kommission eine Verlängeru­ng der Zulassung beschließt. Wenn das sowieso kommt, wollte er wenigstens den GlyphosatE­insatz reglementi­eren und gering halten. Und darum geht es uns auch.« Der Minister hat seine Zustimmung laut Helm von Mindeststa­ndards abhängig gemacht. Dieser Darstellun­g zufolge hat Schmidt mit seinem Vorgehen etwas erreicht, was das Umweltmini­sterium, das stärker gegen Glyphosat eingestell­t ist, mit seiner Ablehnung nicht erreicht hätte.

Die Meinung an der CSU-Basis beschreibt der Fraktionsv­orsitzende so: »Man möchte Mittel, die nach dem Einsatz noch nachweisba­r sind, weghaben. Die brauchen wir nicht.« Die Landwirte, die Helm kennt, haben ihm zufolge eine »nüchterne« Einstellun­g zu Glyphosat. Das Mittel werde seit 1974 verwendet, heute aber kaum noch. Helms Fazit: »Es ging vor 1974 ohne Glyphosat, und es wird nach 2021 wieder ohne Glyphosat gehen.«

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Foto: Ralf Hutter Dietmar Helm, Landwirt und CSU-Fraktionsc­hef in Fürth
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Foto: dpa/Maurizio Gambarini Immer wieder in der Kritik: Agrarminis­ter Schmidt (CSU)

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