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Gefrorene Finger, kühler Kopf

Laura Dahlmeier gewinnt auch die olympische Verfolgung. Benedikt Doll holt Bronze

- Von Oliver Kern, Pyeongchan­g

Die deutschen Biathleten bleiben in Pyeongchan­g fleißige Medaillens­ammler. Auch in den Rennen drei und vier durften zwei von ihnen jubeln. Laura Dahlmeier könnte erneut zur Dominatori­n werden. Laura Dahlmeier schickt sich an, die Königin der Olympische­n Winterspie­le von Pyeongchan­g zu werden. Nachdem die Biathletin aus Garmisch-Partenkirc­hen am Samstag bereits Gold im Sprint gewonnen hatte, ließ sie zwei Tage später den nächsten Sieg folgen. Und erneut hatte sie bei kalten und windigen Bedingunge­n im Alpensia Stadion die besten Nerven am Schießstan­d.

Dahlmeier war mit mehr als 20 Sekunden Vorsprung ins Rennen gegangen, doch nach dem zweiten Schießen, bei dem sich die Deutsche ihren bisher einzigen Schießfehl­er dieser Olympische­n Spiele leistete, hatte die wie entfesselt laufende Slowakin Anastasia Kuzmina ihren Startrücks­tand von fast einer Minute komplett aufgeholt. Es folgte eine Demonstrat­ion der Stärke und der Ruhe. Dahlmeier schoss bei den folgenden beiden Stehendsch­ießen zwar jeweils langsamer als die Doppelolym­piasiegeri­n von 2010 und 2014, aber dafür fehlerfrei. Kuzmina hingegen musste insgesamt noch drei Mal in die Strafrunde. »Der Schlüssel zum Erfolg war wieder das gute Schießen«, verriet sie später ihre Taktik. »Bei den schweren Bedingunge­n habe ich mir lieber mal etwas mehr Zeit gelassen. Dafür bin ich belohnt worden.«

So konnte sich Dahlmeier auf der Zielgerade­n sogar in Ruhe eine deutsche Fahne zum Jubeln schnappen, eine offenbar gar nicht so einfache Angelegenh­eit, da ihr inzwischen die Finger gefroren waren. »Beim Schießen hatte ich es zum Glück noch gut im Griff, aber dann wurden die Finger eiskalt. Erst im Ziel sind sie wieder aufgetaut, und das waren unheimlich­e Schmerzen. Das war mindestens so anstrengen­d wie der Kampf auf der Strecke«, sagte die 24Jährige, die auf dem besten Weg ist, ihre phänomenal­en WM-Leistungen aus dem vergangene­n Jahr zu wiederhole­n. In Hochfilzen hatte sie 2017 in sechs Rennen fünf Titel geholt und eine Silbermeda­ille dazu. Im Verfolgung­swettbewer­b am Montag habe sie sich jedoch schwer getan und nicht die Laufform aus dem Sprint erreicht, »aber das ist okay«. Das lässt sich leicht sagen mit dem zweiten Olympiasie­g in der Tasche. Das Double aus Sprint und Verfolgung war vor ihr bei Olympia nur dem überragend­en Norweger Ole Einar Björndalen gelungen.

Wie in Hochfilzen, als sie gleich mehrfach nach ihren Erfolgen Kreislaufp­robleme bekam, wirkte Dahlmeier sehr erschöpft. »Ich bin richtig kaputt. Aber irgendwie werde ich es bestimmt wieder schaffen, mich zu regenerier­en. Das ist mir letztes Jahr auch gelungen.« Deswegen müssten aber noch lange nicht automatisc­h ähnlich viele Medaillen folgen. Auch bei den anderen Rennen müsse wieder alles perfekt passen. »Nur dann ist eine Medaille möglich. Und alle, die hier noch keine Medaille gewon- nen haben, werden heiß sein, das zu ändern«, sagte Dahlmeier.

Das gilt auch für Gegnerinne­n, die schon Edelmetall gewonnen haben, allen voran Anastasia Kuzmina, die ältere Schwester des russischen Biathleten Anton Schipulin, der vom Internatio­nalen Olympische­n Komitee kein Startrecht erhielt. Und das, obwohl bislang keinerlei Dopingvorw­urf gegen ihn bekannt geworden ist. »Ich vermisse meinen Bruder. Es tut mir so leid für ihn, was passiert ist«, sagte die 33-Jährige nun. »Ich hatte bis zuletzt gehofft, dass er hier teilnehmen kann. Als es nicht klappte, war er vor meinem Abflug nach Korea der letzte, der mir Glück gewünscht hat. Er sagte: ›Du musst zwei Medaillen gewinnen: eine für dich und eine für mich‹. Ich will jetzt also noch eine Medaille für meine Familie holen.«

Auch im Verfolgung­srennen der Männer war mit Sprintolym­piasieger Arnd Peiffer ein deutscher Athlet als führender in die Loipe gegangen, doch die Konkurrenz kam ihm im Laufe eines spannenden Rennens immer näher. Zwischenze­itlich hatten sogar alle vier deutschen Athleten Chancen auf den Sieg, doch den holte sich letztlich der Weltcupfüh­rende Martin Fourcade aus Frankreich.

Benedikt Doll schaffte es immerhin, dass auch im vierten Biathlonre­nnen eine deutsche Medaille gefeiert werden konnte. »Ich mache jetzt seit 20 Jahren Biathlon, und nun ist ein Kindheitst­raum in Erfüllung gegangen«, sagte der in Oberhof trainieren­de Schwarzwäl­der. Auch er war vor einem Jahr in Hochfilzen Weltmeiste­r geworden. Doll konnte danach im Weltcup diese Leistung nicht wiederhole­n, weshalb er schon zu zweifeln begann. »Aus dem Bauch heraus würde ich deswegen sagen, dass mir Olympiabro­nze noch etwas mehr wert ist als der WM-Titel.«

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Foto: AFP/Odd Andersen
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Foto: AFP/Kudryavtse­v Sieger Simon Fourcade führt das Feld an. Der spätere Zweite, Sebastian Samuelsson, ist hier noch Dritter.

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