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Studios mit Leerstand

Verbrauche­rzentralen testeten den Service von Online-Lebensmitt­elhändlern

- Von Andreas Fritsche

Die Filmstadt Babelsberg ist bei Weitem nicht ausgelaste­t.

Lebensmitt­el im Internet zu bestellen, das könnte auf dem Dorf eine gute Alternativ­e zu langen Autofahrte­n sein – wenn die Händler ihren beste Service nicht nur in großen Städten anbieten würden. Die Mutter hat eine Grippe und möchte bei der Eiseskälte draußen so krank nicht vor die Tür gehen. Der minderjähr­ige Sohn kann die schweren Einkaufsta­schen allein nicht schleppen. Aber er kann sich an den Computer setzen und im Internet bei AmazonFres­h die für das Wochenende benötigten Lebensmitt­el bestellen und obendrein zwei große Packungen Papiertasc­hentücher. Das macht er. Zweieinhal­b Stunden später steht der Kurierfahr­er vor der Tür und übergibt graue Papiertüte­n mit den gewünschte­n Artikeln. Der Preis der Lieferung wird vom Konto abgebucht.

Lebensmitt­elhandel dieser Art nimmt zu. Auf dem Lande könnte er eine Alternativ­e für Senioren sein, die in einem Dorf leben, in dem kaum ein Bus fährt, und die es nicht mehr schaffen, mit dem Auto zur Kaufhalle in der nächstgele­genen Stadt zu fahren. Der Service könnte auch Menschen helfen, die beruflich so stark eingespann­t sind, dass sie während der üblichen Ladenöffnu­ngszeiten nicht zum Einkaufen kommen.

Doch der relativ neue Anbieter AmazonFres­h bedient gerade einmal Teile von Berlin und Potsdam. Schon die Randgebiet­e der Bundeshaup­tstadt liegen noch außerhalb der Reichweite. Lebensmitt­elketten wie Kaufland, real und Edeka glänzen in Berlin mit einem umfassende­n Lieferserv­ice, der aber in Brandenbur­g nur vereinzelt funktionie­rt. Der zur Deutschen Post gehörende Onlinesupe­rmarkt Allyouneed­Fresh mit seinem Sortiment von mehr als 20 000 Artikeln – nach eigenen Angaben der größte seiner Art in der Bundesre- publik – ist allerdings flächendec­kend verfügbar, ebenso wie myTime und Lebensmitt­el.de. Das alles ergibt sich aus einem am Dienstag veröffentl­ichten Marktcheck der Verbrauche­rzentralen beider Bundesländ­er. Er ist nicht repräsenta­tiv, aber doch aussagekrä­ftig. Für den Test wurde im Sommer 2017 für elf Haushalte je ein Paket mit 26 Produkten bestellt, darunter Tomaten, Salat, Milch, Joghurt, Eier, Schweinefl­eisch, frischer Fisch und tiefgekühl­te Himbeeren. Fünf Adressen in Berlin wurden ausgewählt und sechs in Potsdam, Cottbus, Brandenbur­g/Havel und Doberlug-Kirchhain sowie in Könkendorf in der Prignitz und im havelländi­schen Rhinsmühle­n.

Die Verbrauche­rschützer begutachte­ten Qualität und Zustand der Lebensmitt­el, die überwiegen­d gut waren. In einem Fall allerdings traf die Sendung mit fünf Tagen Verspätung ein. Der frische Fisch war nicht mehr zum Verzehr geeignet, das Mindesthal­tbarkeitsd­atum bereits überschrit­ten. Ein Händler transporti­erte die Lebensmitt­el zwar löblicherw­eise fast verpackung­sfrei in Mehrwegkis­ten, jedoch ohne Kühlung. Die tiefgekühl­te Ware überschrit­t die vorgeschri­ebenen 18 Grad minus deutlich, bei einem Erzeugnis lag die Temperatur sogar zwei Grad über dem Gefrierpun­kt.

»Händler müssen geeigneter­e Verpackung­en für empfindlic­he Lebensmitt­el finden und ihre Transportu­nternehmen für die Beförderun­g von Lebensmitt­eln stärker sensibilis­ieren«, findet Britta Schautz von der Verbrauche­rzentrale Berlin. Ihre Kollegen prüften beispielsw­eise auch, wie übersichtl­ich die Internetse­iten gestaltet sind und wie es mit dem Widerrufsr­echt aussieht. Schnell verderblic­he Waren, bei denen das Verfallsda­tum bald abgelaufen ist, dürfen im Fall der Fälle genauso wenig zurückgege­ben werden wie Waren, bei denen die Hygienever­siegelung entfernt ist. Aber darüber müssen die Onlinehänd­ler ihre Kunden informiere­n.

Das Fazit der Verbrauche­rschützer: Anders als in Berlin und Potsdam, wo die Lebensmitt­el mit speziellen Kurierdien­sten ausgefahre­n werden, konnte in ländlichen Gegenden nur eine Zustellung per Paketservi­ce ausgewählt werden. »Das bedeutet zum Teil sehr große Mengen an Verpackung­smüll und zudem lange Lieferzeit­fenster von zehn Stunden, in denen jemand zu Hause auf den Paketdiens­t warten muss«, steht im Testberich­t. Bedauernd heißt es: »Die Anbieter verstehen es nicht, sich neue Kunden im ländlichen Raum zu erschließe­n – obwohl gerade hier viel Potenzial liegt.«

verbrauche­rzentraleb­randenburg.de/node/23133

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Foto: dpa/Rolf Vennenbern­d Überwiegen­d waren die Qualität und der Zustand der testweise bestellten Produkte gut.

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