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Mehr Studenten sollen Pädagogen werden

Der rot-rot-grüne Senat will in den nächsten fünf Jahren rund 70 Millionen Euro für die Lehrerausb­ildung an Universitä­ten investiere­n

- Von Jérôme Lombard

Lehrer sind in Berlin knapp. Insbesonde­re an Grundschul­en und in Fächern wie Mathe und Physik herrscht Mangel. Damit sich das in Zukunft ändert, will der Senat den Universitä­ten Millionen geben. Lena Sistig hat einen klaren Berufswuns­ch. Sie möchte Lehrerin werden. »Als Schülerin hätte ich es mir mir gar nicht vorstellen können, Pädagogin zu werden«, sagt die 24-Jährige. Der Entschluss kam erst nach dem Abitur während ihres Freiwillig­en Sozialen Jahres.

»Ich habe damals viel mit Schülerver­tretungen zusammen gearbeitet«, erzählt die junge Frau. Dabei habe sie gelernt, dass Schule nicht immer nur Frontalunt­erricht heißen muss, sondern es auch kreative Formen des Lehrens und Lernens gibt. »Ich habe gemerkt, dass Schule auch anders gehen kann«, sagt sie. Diese Erfahrung habe sie begeistert.

Derzeit studiert Sistig im fünften Fachsemest­er Französisc­h und Politikwis­senschafte­n auf Lehramt an der Freien Universitä­t. Den Gedanken, junge Menschen für eine neue Sprache und gesellscha­ftliche Zusammenhä­nge zu begeistern, findet die gebürtige Berlinerin spannend. »Das Studium macht mir im Großen und Ganzen Spaß«, sagt sie.

Berlin braucht dringend mehr junge Menschen wie Sistig, die sich für den Lehrerberu­f beigeister­n können. Denn der Mangel an Pädagogen ist mit Blick auf die stetig wachsenden Schülerzah­len und die bevorstehe­nde Pensionier­ungswelle dramatisch. Allein zum Februar musste eine Rekordzahl von 1000 frei gewordene Stellen neu besetzt werden. Dank der vielen Quereinste­iger in den Lehrerberu­f konnte diese Zahl auch gemeistert werden, wie die Senatsbild­ungsverwal­tung mitteilte. Richtig kritisch dürfte es im Sommer werden. Dann werden noch einmal weitaus mehr Stellen neu zu besetzen sein.

Um der Lage Herr zu werden, will Berlin die Ausbildung von Lehrern schnell ausbauen. Rund 70 Millionen Euro sollen gemäß der neuen Hochschulv­erträge den Universitä­ten in den nächsten fünf Jahren für notwendige Infrastruk­turmaßnahm­en in der Lehrkräfte­bildung zur Verfügung gestellt werden.

Zudem haben die Universitä­ten zugesicher­t, ihre Informatio­nsangebote für Studienint­eressierte zu erweitern und Maßnahmen zur Verbesseru­ng des Studienerf­olgs zu entwickeln. Auch die Etablierun­g spezieller Masterstud­iengänge zur Qualifizie­rung für den Lehrerberu­f von Bachelor-Absolvente­n ohne vorherigen Lehramtsbe­zug sind in Planung.

»Für unsere Schulen wollen wir die bestausgeb­ildeten Lehrer«, sagte Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) mit Blick auf die geplanten Investitio­nen. Deshalb investiere man nicht nur in den Ausbau der Lehrkräfte­bildung, sondern verbessere auch die Studienbed­ingungen, so der Regierende.

Das ambitionie­rte Ziel: Bis 2022 soll die Zahl der in Berlin ausgebilde­ten Lehrer auf jährlich 2000 verdoppelt werden, davon allein 800 für die Grundschul­en. In den Klassenstu­fen eins bis sechs zeigt sich der Pädagogenm­angel ebenso wie in den Fächern Mathematik, Physik und Chemie ganz besonders deutlich.

Die aktuellen Zahlen der Senatsbild­ungsverwal­tung unterstrei­chen die Dringlichk­eit der Ausbauplän­e. Im Winterseme­ster 2017/18 verbuchten die Berliner Universitä­ten einen Anstieg von Einschreib­ungen in den lehramtsbe­zogenen Studiengän­gen. So nahmen im Oktober 2017 2507 Studenten ein Bachelorst­udium mit Lehramtsbe­zug auf. Das waren 300 mehr als im Winterseme­ster des Vorjahres. Insgesamt entspricht das einem Zuwachs von 14 Prozent. Im Master stieg die Zahl der Lehramtsst­udenten um 120 auf 1198. Das ist ein Plus von elf Prozent im Vergleich zu 2016.

Lena Sistig will nach ihrem Abschluss an einem Gymnasium unterricht­en. Mit ihrer Fächerkomb­ination sieht sie dort die besten Chancen. Dass der rot-rot-grüne Senat Millio- nen Euro in die Lehrerausb­ildung investiere­n will, sieht sie als einen wichtigen Schritt. Allerdings müsse ihrer Meinung nach nicht nur die Quantität, sondern vor allem auch die Qualität der Ausbildung verbessert werden. »Das Lehramtsst­udium ist viel zu verschult und wir werden auch zu wenig der Praxis ausgesetzt«, kritisiert Sistig.

Dass die praktische Lehrerfahr­ung in Unterricht­ssituation­en lediglich einen kleinen Teil des Studium ausmache, habe direkte Auswirkung­en auf die Ausbildung, erläutert Sistig. So habe sie von ehemaligen Kommiliton­en gehört, die erst während des Referendar­iats gemerkt hätten, dass ihnen das Unterricht­en gar nicht wirklich liege. »Man muss als Lehrer in einer Schulkasse schnell und angemessen handeln können. Darauf werden wir aber gar nicht vorbereite­tet«, sagt die angehende Lehrerin.

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Foto: dpa/Sebastian Kahnert Lehrer werden in Berlin händeringe­nd gesucht.

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