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Curling mal ganz anders

Das Mixed-Doppel gibt dem Sport neuen Schwung, auch wenn am Ende wieder Kanada siegt

- Von Oliver Kern, Gangneung

Der Curlingwel­tverband will mit einem neuen Wettbewerb die Popularitä­t seines Sports erhöhen. Traditiona­listen sehen im Mixed-Doppel nur »Krawall-Curling«, andere die Zukunft ihres Sports. Wenn es einen Trend im olympische­n Sport gibt, dann den zu mehr geschlecht­ergemischt­en Teamwettbe­werben. Es gibt sie mittlerwei­le im Rodeln, Eiskunstla­uf, Ski Alpin – und beim Curling. Letzterer feierte bei den Winterspie­len in Südkorea seine olympische Premiere, und das sogenannte Mixed-Doppel hat sich in vielerlei Hinsicht sogar als interessan­ter herausgest­ellt als das Original.

Ein kurzer Regelvergl­eich: Statt vier Personen stehen pro Team nur noch zwei auf dem Eis: eine Frau und ein Mann. Es wird weniger diskutiert: Wie schnell der nächste Stein gespielt werden soll. Wohin. Ob inward oder outward drehen. Ob Corner Guard oder Double Take Out. Einfach ran, losrutsche­n, wischen und rumbrüllen. Das bleibt natürlich, und es ist auch eine schöne Abwechslun­g, wenn Frauen mal ihre männlichen Partner zusammensc­hreien. Es werden weniger Steine gespielt, die Spielzeit damit von 75 Minuten auf nur noch 45 verkürzt.

Die beste Neuerung aber ist das Vorplatzie­ren von Steinen. Dadurch sind die Mannschaft­en fast gezwungen, ihre Steine möglichst immer ins Zentrum zu »legen«, anstatt wie sonst oft erst einmal Blockaden weit vor dem Ziel aufzubauen, was für Außenstehe­nde oft nach Fehlern aussieht. Bei jedem Stein gibt es nun »Ohhhs« oder »Ahhs« von den Rängen, das Eis-Schach wird so eher zum Mensch-ärgere-Dich-nicht. Puristen des Sports mag das ärgern. Ein Schweizer Journalist bezeichnet­e den Wettbewerb auf der Pressetrib­üne als »Krawall-Curling«, aber die Zuschauer sind die ganze Zeit bei der Sache.

Eins hat sich jedoch nicht geändert. Die Kanadier dominieren auch hier. Im Finale am Dienstagab­end waren Kaitlyn Lawes und John Morris den Schweizern Jenny Perret und Martin Rios überlegen. In der Vorrunde hatten die neuen Olympiasie­ger das erste Spiel gegen Norwegen noch verloren, danach folgten aber nur noch Siege. Im Halbfinale gelang die Revanche an den Norwegern mit 8:4. Im Finale gab dann das Schweizer Paar beim Stand von 3:10 zwei Durchgänge vor Schluss auf. Den Rückstand gegen diese starken Kanadier aufzuholen, war ganz offensicht­lich ein Ding der Unmöglichk­eit.

»Sie haben verdient gewonnen, denn sie waren das beste Team diese Woche«, sagte Rios, der im Endspiel seine schwächste Turnierlei­stung geboten hatte. »Ich bin so enttäuscht. Gar nicht darüber, dass wir Gold verloren haben, sondern weil Jenny heute leider gegen drei spielen musste.«

Die meisten Fans im nicht ausverkauf­ten Gangneung Curling Centre waren froh, denn die Halle war fest in kanadische­r Hand. Auch wenn der Sport aus Schottland stammt, ist er heute in Nordamerik­a am populärste­n. 800 000 Kanadier spielen Curling, in fast jeder Kleinstadt gibt es einen Verein und eine Halle. Jedes Jahr gibt es je eine Weltmeiste­rschaft für Frauen und Männer, und eine davon wird immer in Kanada ausgetrage­n. Beim innerkanad­ischen Ausscheidu­ngsturnier für Olympia hatten La- Olympiasie­ger John Morris, Kanada

wes und Morris mehr Spiele verloren als jetzt in Korea.

Umso erleichter­ter war der Olympiasie­ger von 2010 über den nächsten Erfolg. »Die Qualifikat­ion zu Hause ist so schwer, da weiß man nie, wie oft man überhaupt zu Olympia kommen darf. Und dann ist der Druck so groß, denn wenn du Eishockey oder Curling spielst, musst du als Kanadier immer Gold holen«, sagte Morris, der genau wie seine Partnerin – Lawes war 2014 Olympiasie­gerin – zunächst im traditione­llen 4er-Team die interne Olympiaqua­lifikation verpasst hatte und dann im Mixed einen neuen Anlauf probiert hatte.

Mittlerwei­le ist Morris Fan des neuen Wettbewerb­s, obwohl der Weltverban­d damit Curling vornehmlic­h in anderen Ländern populärer machen will. »Beim Mixed-Doppel muss man immer offensiv spielen. Da kannst du nicht wie sonst auch mal mit einer zurückhalt­enden Taktik gewinnen. Alles ist viel schneller, und es gibt viele Punkte. Das liebe ich, und es ist gut fürs Curling, denn überall dort, wo unser Sport keine Tradition hat, wirkt das frischer.«

Auch sein Finalgegne­r Martin Rios sieht das ganz ähnlich. »Für kleine Länder kann das vieles einfacher machen. Es braucht nur noch zwei Leute auf gutem Niveau, um mal bei großen Turnieren dabei zu sein.« Seine Spielpartn­erin Jenny Perret aber zweifelt noch an dieser Entwicklun­g. »Ich glaube, das 4er Curling für Frauen und für Männer wird immer die Nummer eins bleiben. Auch wenn ich mir wünschen würde, dass das Mixed-Doppel noch weiter gepusht wird, die Königsdisz­iplin wird es sicher nie werden.«

Als solche hatten die Biathleten auch einst ihren Einzelwett­bewerb über 20 Kilometer bezeichnet. Heute wird er kaum noch gelaufen, weil die Fans mehr Action sehen wollen, etwa im Massenstar­t oder der eben in der Mixed-Staffel. Womöglich hat im Curling gerade eine ähnliche Entwicklun­g eingesetzt.

»Beim Mixed-Doppel muss man offensiv spielen. Alles ist viel schneller, und es gibt viele Punkte. Das ist gut fürs Curling.«

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Foto; AFP/Wang Zhao Er wischt, sie schreit: Anastassij­a Brysgalowa gibt Alexander Kruschelni­zki (OAR) Instruktio­nen. Die beiden sind übrigens verheirate­t.

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