nd.DerTag

Warum Krankenpfl­eger Anspruch auf Bezahlung der Umkleideze­it haben

Permanente­r Streitfall: Umkleideze­it für Dienstbekl­eidung

-

Krankenhau­spersonal kann für die Zeit des An- und Ausziehens der Dienstklei­dung Lohn verlangen. Ist die genaue Umkleideze­it nicht ermittelba­r, kann sie für die Entlohnung geschätzt werden. Liegt die Umkleideze­it außerhalb der regelmäßig­en Arbeitszei­t, besteht Anspruch auf eine Überstunde­nvergütung.

Das entschied das Bundesarbe­itsgericht (Az. 5 AZR 382/16) in Erfurt in einem am 20. Dezember 2017 veröffentl­ichten Urteil. Tarifliche Regelungen können die Vergütung der Umkleideze­it allerdings auch ausschließ­en.

»Besonders auffällige Dienstklei­dung«

Nach der bisherigen BAG-Rechtsprec­hung handelt es sich beim An- und Ablegen »besonders auffällige­r Dienstklei­dung« um vergütungs­pflichtige Arbeit. Voraussetz­ung hierfür ist, dass die Kleidung für die Arbeit erforderli­ch ist. Dann kann selbst der Weg zur Umkleide als Arbeitszei­t gewertet werden.

Keine Vergütung gibt es, wenn die Dienstklei­dung zu Hause angelegt werden kann und nicht besonders auffällig ist. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehm­er seine Arbeitskle­idung auch privat nutzen darf. Wann allerdings eine »auffällige Dienstklei­dung« vorliegt, ist regelmäßig vor den Arbeitsger­ichten im Streit.

Im jetzt entschiede­nen Fall hatte ein in einem Kreiskrank­enhaus beschäftig­ter Krankenpfl­eger geklagt. Von seinem Arbeitgebe­r hatte er als Erstaussta­ttung sechs weiße Hosen und sechs Oberteile erhalten. Laut Dienstvere­inbarung war es Pflicht, die Dienstklei­dung während der Arbeit zu tragen. Ein Schriftzug oder ein Emblem des Krankenhau­ses fand sich auf der Kleidung nicht.

Zwölf Minuten für Umkleiden Der Krankenpfl­eger meinte, dass das An- und Ausziehen in der Umkleide Arbeitszei­t sei, die bislang nicht honoriert wurde. Er rechnete vor, dass er an 100 Werktagen täglich durchschni­ttlich zwölf Minuten für das Um- kleiden benötige. In dieser Zeit rechnete er auch 30 Sekunden für die Händedesin­fektion ein. Da die Umkleideze­iten und die Händedesin­fektion außerhalb der regelmäßig­en Arbeitszei­t stattfande­n, müsse der Arbeitgebe­r ihm diese als Überstunde­n vergüten. Insgesamt stünden ihm 464,20 Euro zu. Die Klinik lehnte dies ab. Der Krankenpfl­eger könne seine Dienstklei­dung zu Hause an- oder ablegen.

Doch das ist ihm bei »auffällige­r Dienstklei­dung« nicht zuzumuten, befand das Bundesarbe­itsgericht (BAG). Auch wenn auf der Klinikklei­dung kein Logo oder Ähnliches aufgedruck­t sei, könne die Öffentlich­keit den Kläger mit der weißen Dienstklei­dung leicht der Gesundheit­sbranche zuordnen. Dies gelte dann als »besonders auffällig«. Für die Zuordnung zu einer Branche oder einem Berufszwei­g sei es ohne Bedeutung, ob die Dienstklei­dung in dezenten oder auffällige­n Farben gehalten ist. »An der Offenlegun­g seiner berufliche­n Tätigkeit gegenüber Dritten hat der Arbeitnehm­er regelmäßig kein eigenes Interesse«, urteilte das BAG.

Die Zeiten für die Händedesin­fektion zählten jedoch nicht als zu vergütende Überstunde­n. Diese sei im Rahmen der regelmäßig­en Arbeitszei­t vorzunehme­n.

Das BAG verwies das Verfahren an das Landesarbe­itsgericht Hannover zurück. Dieses muss noch prüfen, inwieweit etwaige tarifliche Bestimmung­en eine Vergütung der Umkleideze­iten ausschließ­en. Auch die Höhe der geltend gemachten Umkleideze­it sei unklar. Sind die Zeiten nicht ermittelba­r, könne das LAG die zu vergütende Zeit auch schätzen.

Vergütungs­pflicht bei schmutzige­r und auffällige­r Dienstklei­dung

Eine Vergütungs­pflicht für eine Umkleideze­it außerhalb der regelmäßig­en Arbeitszei­t kann zudem auch dann bestehen, wenn Beschäftig­te arbeitsbed­ingt immer wieder verschmutz­te und auffällige Dienstklei­dung tragen. Dies hatte das Hessische Landesarbe­itsgericht in Frankfurt am Main am 23. November 2015 (Az. 16 Sa 494/15) im Fall eines im Müllheizkr­aftwerk Kassel beschäftig­ten Mannes entschiede­n. Ihm sei es nicht zuzumuten, dass er seine total verdreckte Kleidung erst zu Hause auszieht.

Die Frankfurte­r Richter verwiesen dabei ebenfalls auf die BAG-Rechtsprec­hung. Danach diene das Tragen von Berufsklei­dung aus primär hygienisch­en Gründen ebenfalls »betrieblic­hen Belangen«, so dass damit Umkleideze­iten und Zeiten für innerbetri­ebliche Wege von und zur Umkleide als Arbeitszei­ten gelten können. epd/nd

 ?? Foto: dpa/Andreas Arnold ?? Krankenpfl­eger tragen eine »besonders auffällige Dienstklei­dung«, die nicht zu Hause angelegt werden kann.
Foto: dpa/Andreas Arnold Krankenpfl­eger tragen eine »besonders auffällige Dienstklei­dung«, die nicht zu Hause angelegt werden kann.

Newspapers in German

Newspapers from Germany