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Vollmacht als letzter Wille?

Erbrecht

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Wenn eine Tante ihrer Nichte ein Bankguthab­en per »Vollmacht« vermacht, so kann das auch als Testament gelten.

Frau A. war 2014 im Alter von 64 Jahren gestorben. Ihren beiden Schwestern, Frau B. und Frau C., vererbte sie in ihrem Testament jeweils eine Hälfte ihres Hauses. Frau B. erhielt zudem eine Vollmacht für die Bankkonten, die auch nach dem Tod von Frau A. gelten sollte.

In zwei weiteren mit »Vollmacht« überschrie­benen Schriftstü­cken bestimmte die Erblasseri­n, ihre Nichte – Tochter von Frau B. – könne über ihren Bausparver­trag »über meinen Tod hinaus« verfügen und »sich das Guthaben auszahlen« lassen. Die Nichte sollte auch ihr Vermögen bei der Volksbank (Girokonto, Sparbuch etc.) bekommen. Insgesamt ging es um einen Betrag von 63 400 Euro.

Die bevollmäch­tigte Schwester B. zahlte ihrer Tochter 31 700 Euro aus. Schwester C. verlangte jedoch die andere Hälfte des Betrags: Die verstorben­e Schwester A. habe mit diesen Schriftstü­cken für die Nichte nur eine Vollmacht ausgestell­t und ihr nicht das Vermögen vermacht. Dagegen war die Nichte der Ansicht, hier handle es sich nicht nur um Vollmachte­n, sondern um testamenta­rische Verfügunge­n. Deshalb stehe ihr das Geld auf den Konten zu.

Das Oberlandes­gericht (OLG) Hamm gab mit Urteil vom 11. Mai 2017 (Az. 10 U 64/16) der Nichte Recht. Auch wenn die beiden Schriftstü­cke mit »Vollmacht« überschrie­ben seien: Die Erblasseri­n habe sie handschrif­tlich verfasst und unterschri­eben. Sie zeigten zudem den ernsthafte­n Willen, der Nichte das Geldvermög­en zukommen zu lassen, betonte das OLG. Frau A. habe die Schriftstü­cke nicht bei den Banken hinterlegt, sondern zusammen mit dem einige Tage zuvor geschriebe­nen Testament in ihrer Wohnung aufbewahrt.

Der Text des Testaments belege, dass sich Frau A. im Erbrecht nicht auskannte. Mangels juristisch­er Beratung habe die Erblasseri­n eben gedacht, sie müsse »postmortal­e« Bankvollma­chten ausstellen. Die Formulieru­ng, die Nichte solle sich die Guthaben auszahlen lassen, spreche jedenfalls eindeutig dafür, dass es der Wille der Erblasseri­n war, dass die Nichte das Vermögen bekommen und behalten sollte. Die Schriftstü­cke seien nicht »nur« als Bankvollma­cht gedacht gewesen, sie seien als Testament anzusehen, so das Gericht. OnlineUrte­ile.de

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