nd.DerTag

Luftnummer zum Nulltarif

Kurt Stenger über Reaktionen auf die Idee kostenlose­n Nahverkehr­s

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Als vor einigen Jahren in Köthen ein kostenlose­r öffentlich­er Nahverkehr getestet wurde, führte das schlagarti­g zu einer Verfünffac­hung der Passagierz­ahlen. Auch wenn dies nicht verallgeme­inerbar ist – mehr Leute würden Bus und Bahn nehmen, wenn dies zum Nulltarif möglich wäre. Dass gerade Kommunalpo­litiker fast schon verärgert auf den Vorstoß der Bundesregi­erung reagieren, dies hier und da zeitweilig zu fördern, ist trotzdem verständli­ch: Als Folge des jahrelange­n Einsparzwa­ngs sind die ÖPNV-Systeme derart marode, dass sie schon die jetzigen Fahrgastza­hlen kaum noch bewältigen. Den Investitio­nsstau zu beseitigen und die Infrastruk­tur auszubauen, würde Jahre dauern, wäre aber Voraussetz­ung für die Nulltarifi­dee.

Als Maßnahme für kurzfristi­ge Luftverbes­serung, wie die Bundesregi­erung der mit Klagen drohenden EU-Kommission vorgaukelt, taugt der Vorschlag also überhaupt nicht. Ernst gemeint ist er ohnehin nicht. Es geht darum, die (Diesel-)Autoindust­rie bei Maßnahmen für bessere Luft weiter zu schonen und politische­n Aktionismu­s vorzugauke­ln.

Doch was als Nebelkerze gedacht ist, könnte endlich Klarheit in die verworrene Debatte über drohende Fahrverbot­e bringen. Die kommunalen Finanznöte treten ebenso in den Vordergrun­d wie die Notwendigk­eit einer Verkehrswe­nde, die ökologisch­e und soziale Aspekte gleicherma­ßen zu berücksich­tigen hat. Bleibt nur zu hoffen, dass die Debatte nicht gleich wieder einschläft und vor allem nicht folgenlos bleibt.

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