nd.DerTag

Wer soll das bezahlen?

Die Rede vom »kostenlose­n Nahverkehr« führt in die Irre, meint Christian Baron

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Die herkömmlic­hen Ökonomie-Lehrbücher vertreten nur eine Theorie: die Neoklassik. Das ist so, als ob im Psychologi­e-Studium lediglich Sigmund Freud gelehrt würde oder in der Biologie ausschließ­lich der biblische Schöpfungs­mythos auf dem Plan stünde. Nun dürfte keine akademisch­e Disziplin einen solchen Einfluss auf den Alltagsver­stand genommen haben wie die der Wirtschaft­swissensch­aften. Der Mensch gilt demnach als bloßer Nutzenmaxi­mierer. Deshalb dreht sich alles immer stärker um die Frage der Kosten. Bedingungs­loses Grundeinko­mmen, höherer Mindestloh­n, bezahlbare­r Wohnraum – wer ein Projekt ins Spiel bringt, das große Probleme lösen soll, der sieht sich als Spinner tituliert: »Wissen Sie denn nicht, was das kostet?«

Der Staat beklagt leere Kassen, er hält den Markt aber für ein Naturgeset­z. Darum verteilt er von unten nach oben um, er verscherbe­lt öffentlich­es Eigentum und er begünstigt in seiner Steuerpoli­tik nur die Reichen. Wenn jetzt alle über »kostenlose­n Nahverkehr« sprechen, dann können die Autolobby und ihre politische­n Erfüllungs­gehilfen jede weitere Diskussion mit der Kostenfrag­e ersticken. Dabei erschiene die Finanzieru­ng mit den notwendige­n Infrastruk­turinvesti­tionen machbar, wenn die Politik andere ökonomisch­e Ansätze beachten und wenn von »fahrschein­freiem Nahverkehr« die Rede wäre, der die Umwelt entlasten und Mobilität als Grundrecht anerkennen würde.

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