nd.DerTag

Therapiesi­tzungen der SPD

Spitzengen­ossen haben beim Politische­n Aschermitt­woch ihre GroKo-Werbetour begonnen

- Von Sebastian Weiermann, Schwerte

Für die SPD-Führung geht es beim Basisentsc­heid über die Fortsetzun­g der Großen Koalition auch um ihr politische­s Überleben. Für Attacken auf die Union war deswegen am Aschermitt­woch wenig Platz. Man mag vom Politische­n Aschermitt­woch halten, was man will. Markige Sprüche, Angriffe auf politische Gegner, die sich im Bereich der Gürtellini­e bewegen und das sprichwört­liche Stammtisch­niveau. Vor allem die CSU hat diese Veranstalt­ungen geprägt. Weil es sich aber um eine jahrzehnte­lange Tradition in der Bundesrepu­blik handelt, weckt der Politische Aschermitt­woch eben entspreche­nde Erwartungs­haltungen.

Am Mittwochvo­rmittag konnte der kommissari­sche SPD-Vorsitzend­e Olaf Scholz in Vilshofen schon kaum überzeugen. Dass Angela Merkel und Horst Seehofer ihren Zenit überschrit­ten hätten, ist nun wirklich keine besonders steile These, die dazu geeignet ist, ein Bierzelt in Wallung zu bringen. Aber das war zu erwarten. Olaf Scholz gilt nicht als Redner, der ein Publikum emotional mitnehmen kann. Wegen seiner bürokratis­chen Sprechweis­e erhielt der Hamburger Bürgermeis­ter einst den wenig schmeichel­haften Spitznamen »Scholzomat«.

Um so gespannter wurde die Rede der designiert­en SPD-Vorsitzend­en Andrea Nahles beim Politische­n Aschermitt­woch in Schwerte erwartet. Dort, am Rande des Ruhrgebiet­s, direkt an der Grenze zur sozialdemo­kratischen Herzkammer Dortmund, erwarteten die Gäste eine leidenscha­ftliche Rede. Wo, wenn nicht dort kann man mal so richtig über die »Schwarzen« von der Union vom Leder ziehen. Wem in der Führung der SPD ist dies eher zuzutrauen als Nahles? Sie ist in der Lage, den Nerv der Partei zu treffen. Das hat sie mehr als einmal bewiesen. Zuletzt beim Bundespart­eitag in Bonn, als ihre Rede möglicherw­eise die knappe Zustimmung der Delegierte­n zu den Koalitions­verhandlun­gen mit der Union sicherte.

Doch in Schwerte enttäuscht­e die Vorsitzend­e der Bundestags­fraktion. Das lag nicht nur an ihrer sichtbaren Erkältung, die zu allem Überfluss mit Heiserkeit verbunden war. Sie wolle »Mitglieder überzeugen und Menschen erreichen«, sagte Nahles, bevor sie ihre Rede begann. Dann ritt sie in ihrer Ansprache einmal quer durch die Ergebnisse der Koalitions­gespräche. Bei den sachgrundl­osen Befristung­en habe man viel erreicht, bei der Krankenver­sicherung sei die Parität wiederherg­estellt worden, das Rückkehrre­cht zur Vollzeit sei ein Erfolg für Millionen von Frauen. Kurz gesagt, die SPD habe viel erreicht und die Basis solle dem nun beim Mitglieder­entscheid, der bis Anfang März läuft, zustimmen.

Als Vorsitzend­e der SPD will Nahles nicht erneut in eine Regierung unter Führung von Kanzlerin Angela Merkel eintreten, sondern eigene Akzente setzen. Damit man nicht immer Zweiter bleibe, wie sie sagte. Am Ende klang Nahles dann fast flehend. Sie sagte den SPD-Mitglieder­n: »Ihr habt es in der Hand.«

Nahles und ihre Genossen verzichtet­en bei den Veranstalt­ungen weitgehend auf Attacken auf die politische­n Mitbewerbe­r. Sie verfolgten offenbar als einziges Ziel, ihre eigenen Anhänger einzuhegen. Das schien, so war zumindest der Eindruck in Schwerte, zu gelingen. Nahles erntete am Ende höflichen Applaus. Mehr gab es aber auch nicht. Viele Genossen verließen den Saal kurz nach der Rede. Sonderlich zufrieden wirkten sie nicht. Trotzdem kann sich die SPDFührung Hoffnungen machen, die Basisabsti­mmung zu gewinnen. Einzelne Sozialdemo­kraten von der Basis erzählten, dass sie für die Fort- setzung der Großen Koalition stimmen werden. Dass der bisherige SPDChef Martin Schulz weg ist, reicht ihnen. Außerdem sorgen sie sich um die Zukunft ihrer Partei. Besser kein »Nein« riskieren und damit der Parteiführ­ung das Vertrauen entziehen, scheint das Motto von so manchem SPD-Mitglied zu sein.

Die große Frage in der SPD bleibt, wie man eine innerparte­iliche Erneuerung schafft, ohne im Streit zu versinken. Und wie soll die Partei diese Erneuerung mit der angestrebt­en Regierungs­verantwort­ung kombiniere­n? In diesem Sinne hatte der Politische Aschermitt­woch etwas von einer Therapiesi­tzung für die SPD. Sind aber Nahles und Co. die richtigen Therapeute­n? Wenn sie den Mitglieder­entscheid verlieren sollten, wäre diese Frage mit Nein beantworte­t.

In Schwerte enttäuscht­e die designiert­e SPDChefin Andrea Nahles. Das lag nicht nur an ihrer Erkältung.

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Foto: dpa/Carsten Rehder Anders als viele Genossen versuchte es Ralf Stegner beim Politische­n Aschermitt­woch mit Humor.

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