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Für Andrej Babis wird die Luft dünn

Verlorener Rechtsstre­it und meuternde Minister – Tschechien­s Wahlsieger hat Probleme, eine Regierung zu bilden

- Von Jindra Kolar, Prag

Tschechien­s geschäftsf­ührender Regierungs­chef Andrej Babis hat im Streit um mutmaßlich­e Verstricku­ngen mit der einstigen tschechosl­owakischen Staatssich­erheit vor Gericht verloren. Für Andrej Babis wird die Luft dünn. In Bratislava hat das Regionalge­richt eine Klage des Gründers der populistis­chen Bewegung ANO gegen die slowakisch­e Aufarbeitu­ngsbehörde abgewiesen. Das Institut des Nationalen Gedächtnis­ses (UPN) hatte tschechosl­owakische Geheimdien­stunterlag­en veröffentl­icht, nach denen der 63-jährige Milliardär als informelle­r Mitarbeite­r der damaligen Staatssich­erheit (StB) identifizi­ert werden könne. Und in Prag musste der Wahlsieger von 2017 eine wichtige politische Absage hinnehmen. Dan Tok, Minister für Transport und Verkehr, kündigte an, nicht mehr für eine weitere Regierung von Babis zur Verfügung zu stehen, sollte diese von der Unterstütz­ung der Rechtsauße­npartei Freiheit und direkte Demokratie (SPD) des japanisch-tschechisc­hen Unternehme­rs und Politikers Tomio Okamura abhängen.

Okamura und ein anderer SPD-Politiker hatten kürzlich erklärt, es habe in Lety bei Pisek zur Zeit der nazideutsc­hen Besetzung kein Konzentrat­ionslager für Roma gegeben. Die Deutschen hätten lediglich ein Arbeitslag­er errichtet, in dem Roma Unterkunft fanden. Dieses Lager sei nicht einmal eingezäunt gewesen. Eine Ungeheuerl­ichkeit sei diese Aussage, so Politiker aller anderen Parteien. Opferverbä­nde stellten – wie bereits 2014 – Strafanzei­ge wegen Verunglimp­fung und Leugnung des Holocausts an Sinti und Roma. Und Tok steht bei ANO nicht allein. Auch Justizmini­ster Robert Pelikán und Außenminis­ter Martin Stropnický wollen jetzt nicht mehr zu einem Kabinett gehören, das von der SPD gestützt wird.

Das hatte sich Babis ganz anders vorgestell­t. Nicht zuletzt dank seines Medienimpe­riums hatte er die Protestbew­egung unzufriede­ner Bürger vergangene­n Oktober zu einem deutlichen Erfolg bei den Parlaments­wahlen geführt. 78 von 200 Mandaten entfallen auf ANO-Abgeordnet­e. Babis selbst macht sich, unterstütz­t von Staatspräs­ident Milos Zeman, Hoffnung auf den Posten des Regierungs­chefs. Den jedoch kann er nur erreichen, wenn er entweder eine Koalition auf die Beine stellt oder wenigstens die Duldung des Parlaments für eine Minderheit­sregierung erlangt. Letzteres jedoch, das zeigte sich bei der Vertrauens­abstimmung im Januar, bekommt er nicht. Deswegen musste das erste Kabinett Babis zurücktret­en.

Zum Erfolg beim zweiten Anlauf, den Zeman dem ANO-Chef trotz der polizeilic­hen Ermittlung­en wegen Subvention­s- und Steuerbetr­ugs einräumt, sollte nun die Zustimmung der SPD führen. Mit der Reaktion seiner Minister hatte Babis nicht gerechnet. Jetzt bleibt noch die Option einer großen Koalition mit den Sozialde- mokraten (CSSD). Eine Variante, die Babis vor und nach den Wahlen noch ausgeschlo­ssen hatte. Denn es war der sozialdemo­kratischen Ministerpr­äsident Bohuslav Sobotka, der nach Aufdeckung des Steuerskan­dals und der Unruhe um die illegale EU-Finanzieru­ng des im Babis-Besitz befindlich­en Spas »Storchenne­st« den Rücktritt des damaligen Finanzmini­sters gefordert hat.

Daraufhin kündigten beide Parteien an, künftig nicht mehr auf der Regierungs­bank zusammenar­beiten zu wollen. Nun jedoch wollen die Sozialdemo­kraten am Sonntag die Option einer Koalition diskutiere­n. Sollte die CSSD zu keinem positiven Beschluss kommen, will Babis nicht weiter kandidiere­n, sondern vorzeitige Neuwahlen anstreben.

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