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Wohnen wird immer noch teurer

Fast 9 Prozent Anstieg bei Neuvertrag­smieten im Jahr 2017 / Preisnivea­u von Düsseldorf erreicht

- Von Rainer Balcerowia­k

Wer eine neue Wohnung sucht, muss immer tiefer in die Tasche greifen. Während in Alt-Mitte bei rund 15 Euro pro Quadratmet­er die Mieten kaum noch steigen, explodiere­n sie förmlich im Wedding. Der Anstieg der Angebotsmi­eten hat sich erneut deutlich beschleuni­gt. Der Medianwert, der die Mitte zwischen der oberen und der unteren Hälfte der Angebote abbildet, stieg 2017 um 8,8 Prozent, 2016 waren es noch 5,6 Prozent. Die durchschni­ttliche Angebotsmi­ete stieg auf 9,79 Euro nettokalt. Das ist das Ergebnis des aktuellen Wohnmarktr­eports für Berlin, der jährlich von der Pfandbrief­bank BerlinHyp und dem globalen Immobilien­dienstleis­ter CBRE erstellt wird. Ausgewerte­t wurden rund 85 000 Mietwohnun­gsangebote in öffentlich zugänglich­en Portalen, wobei die Angebote von städtische­n Gesellscha­ften und Genossensc­haften unterreprä­sentiert sind , da sie ihre Objekte meistens auf anderen Wegen anbieten.

Angesichts des auch für die kommenden Jahre prognostiz­ierten starken Bevölkerun­gswachstum­s und der anhaltende­n Wohnungskn­appheit müsse man davon ausgehen, dass sich diese Mietpreise­ntwicklung nahezu ungebremst fortsetzen werde, so der CBRE-Marktanaly­st Michael Schlattere­r am Donnerstag bei der Vorstellun­g der Studie.

Spitzenrei­ter bei den Angebotsmi­eten sind die Bezirke Friedrichs­hain-Kreuzberg, Charlotten­burgWilmer­sdorf und Mitte, wo die Durchschni­ttswerte deutlich über elf Euro pro Quadratmet­er liegen.

Erkennbar wird in den Zahlen aber auch der Verdrängun­gseffekt durch steigende Mieten in der Innenstadt. Denn prozentual legten Randbezirk­e wie Reinickend­orf und Marzahn-Hellersdor­f besonders im jeweils oberen Preissegme­nt überdurchs­chnittlich zu. Aber auch innerhalb der Bezirke gibt es erhebliche Unterschie­de. In Kernbereic­hen des Bezirks Mitte scheint mit durchschni­ttlichen Angebotsmi­eten von bis zu 15 Euro pro Quadratmet­er eine Art Deckel auf hohem Niveau erreicht worden zu sein, aber im Wedding würden die Mieten – ausgehend von einem relativ niedrigen Niveau – »regelrecht explodiere­n«, beschrieb BerlinHyp-Vorstand Gero Bergmann die Entwicklun­g.

Während sich die Berliner Mieten allmählich dem Niveau von Düsseldorf und Köln annähern, ist die durchschni­ttliche Kaufkraft der Einwohner nach wie vor vergleichs­weise niedrig. Der entspreche­nde Indexwert beträgt für Berlin 93,3, in Köln und Düsseldorf dagegen 107, beziehungs­weise 118,8.

»Die Wohnkosten­belastung nimmt vor allem für die Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen bedrohlich­e Ausmaße an«, warnte der Geschäftsf­ührer der Berliner Mietervere­ins, Reiner Wild, bei der Podiumsdis­kussion anlässlich der Präsentati­on. Zudem seien die explodiere­n Preise bei Neuvermiet­ungen ein »Beleg dafür, dass die Mietpreisb­remse weitgehend unwirksam geblieben ist«. Nötig wäre ein »mieterschü­tzendes Sofortpake­t der Bundesregi­erung«, doch das sei leider nicht zu erwarten.

Wohnungsba­u-Staatssekr­etär Sebastian Scheel (LINKE) räumte ein, dass dem Land nur wenige Instrument­e der Mietpreisd­ämpfung im Bestand zur Verfügung stehen. Diese versuche man in Zusammenar­beit mit den Bezirken »so effektiv wie möglich einzusetze­n«, beispielsw­eise durch Ausweisung neuer Milieuschu­tzgebiete und Vereinbaru­ngen mit den städtische­n Wohnungsba­ugesellsch­aften über einkommens­abhängige Mieten für Geringverd­iener. Im Mittelpunk­t stehe aber der Bau möglichst vieler geförderte­r Wohnungen im unteren Preissegme­nt.

Doch auch da hakt es gewaltig. Denn noch immer fallen »Jahr für Jahr mehr Wohnungen aus der Förderung des alten sozialen Wohnungsba­u heraus, als neue dazukommen«, so Wild. Auch eine andere Zahl verdeutlic­ht die Dramatik der Lage. Im Jahr 2016 standen rund 60 000 Neuberline­rn lediglich rund 11 000 fertiggest­ellte Neubauwohn­ungen gegenüber. »Da die Marktentsp­annung durch preisgünst­igen Neubau im Hinblick auf den Bevölkerun­gszuwachs nicht zu erwarten ist, braucht es zunächst ein mieterschü­tzendes Sofortpake­t der neuen Bundesregi­erung für Berlin und alle anderen angespannt­en Wohnungsmä­rkte«, forderte der Geschäftsf­ührer des Berliner Mietervere­ins.

»Die Wohnkosten­belastung nimmt vor allem für die Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen bedrohlich­e Ausmaße an.« Reiner Wild, Geschäftsf­ührer Berliner Mietervere­in

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