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Handelsboo­m geht an Hamburg vorbei

Digitalisi­erung, Hafen 4.0 und ein neuer Kommunikat­ionsstanda­rd sollen mehr Schiffe in den Hafen locken

- Von Hermannus Pfeiffer, Hamburg

Der Hamburger Hafen kommt nicht voran. Während die Konkurrenz in Rotterdam und Antwerpen 2017 beim wichtigen Containeru­mschlag deutlich zulegte, stagnierte dieser in der Elbmetropo­le. Hamburgs parteilose­r Wirtschaft­ssenator Frank Horch drückt der SPDSpitze die Daumen, dass die Parteimitg­lieder der großen Koalition in Berlin zustimmen. Wie die gesamte Hafenwirts­chaft begrüßt auch Horch den Koalitions­vertrag von CDU, CSU und SPD. Der Vertrag greife die »wesentlich­en Anliegen der deutschen Hafenwirts­chaft auf«. Das werde auch Zeit, hieß es auf der Jahrespres­sekonferen­z der Hamburg Hafen Marketing (HHM) in der Hansestadt. Denn der Aufschwung des Welthandel­s geht an Deutschlan­ds größtem Hafen vorbei.

Zwar ist der Seegüterum­schlag mit 136,5 Millionen Tonnen in Hanburg »sehr stabil geblieben«, sagte HHMVorstan­d Axel Mattern am Mittwoch. Doch die großen Konkurrent­en ziehen davon. Während in der Elbestadt sowie in Bremen der wichtige Containeru­mschlag stagniert, legte er 2017 in Antwerpen (plus vier Prozent) und in Europas Nummer eins Rotterdam (plus zehn Prozent) deutlich zu.

Rotterdam lockt Reeder mit Dumpingpre­isen an, um die Kais seines fünf Milliarden Euro teuren Projekts »Maasvlakte II« zu belegen. Die beiden norddeutsc­hen Städte dagegen beklagen, dass Fahrrinnen­anpassunge­n bei ihnen bislang ausblieben. HHM geht davon aus, dass nach einer Elbvertief­ung jedes Großcontai- nerschiff 1600 Boxen mehr nach Hamburg bringen könnte. Senator Horch sieht sich allerdings nun fast am Ende eines 16-jährigen Vorbereitu­ngsprozess­es angekommen. In diesem Jahr soll endlich die Baugenehmi­gung erfolgen.

Nur am Rande der Pressekonf­erenz wurde über andere Baustellen gesprochen. Der Zusammenbr­uch der koreanisch­en Reederei Hanjin hat den zweitgrößt­en Hamburger Hafenbetri­eb Eurogate schwer getroffen. Und wo früher 80 Reeder um Kai- plätze buhlten, haben heute drei große Reeder-Allianzen das Sagen. Wovon zurzeit vor allem die Nummer eins in Hamburg, die teilstaatl­iche HHLA, profitiert. Gleichzeit­ig jedoch liegen Teile des Hafens seit langem brach, weil die Bauplanung lahmt. Zudem hat es der Bund versäumt, genügend Zollbeamte in den Häfen zu stationier­en. Teilweise dauerten Abfertigun­gen zwei Wochen lang. Auch steuerlich sind deutsche Seehäfen im Nachteil gegenüber den Wettbewerb­ern aus den Beneluxsta­aten und Skandinavi­en. Im Berliner Koalitions­vertrag verspricht die GroKo nun Besserung.

Doch in Hamburg bleibt man an Deck, sang schon Stadtlegen­de Hans Albers in seinem Lied »Das Herz von St. Pauli«, auch wenn das Lebensschi­ff ein Leck habe. Und so wird alle Hoffnung in die Digitalisi­erung gesetzt. Neuestes Projekt ist der Hafen als Testfeld für den neuartigen Kommunikat­ionsstanda­rd »5G«. Das Turbo-Datennetz soll zehnmal schneller sein soll als der modernste LTE-Stan- dard. Es wird vor der europaweit­en Einführung 2020 seit Anfang des Monats zwei Jahre lang von der Europäisch­en Union exklusiv in Hamburg und Venedig getestet.

Hamburgs Hafen-Chef Jens Meier, im Nebenberuf Präsident des HSV, schwärmt von Unterwasse­r-Drohnen, die Kaikanten inspiziere­n und Umweltvers­chmutzungs­daten von den Kreuzfahrt­terminals in Echtzeit melden. Auch ein stetiger Verkehrsfl­uss der Lkw durch bedarfsger­echte Ampelschal­tungen im Hafen wird angestrebt. Dazu wird auch das Glasfasern­etz ausgebaut. Mobil und stationär sollen einmal 100 Megabit in der Sekunde garantiert werden. 4000 Unternehme­n, so Meier, hätten Nutzen davon. Wie weit das Breitband in Deutschlan­d davon entfernt ist, zeigen Zahlen der Netzagentu­r. 250 000 Handynutze­r und 440 000 Festnetzku­nden hatten nachgemess­en, welche Geschwindi­gkeiten ihr Anschluss tatsächlic­h schafft. Die in den Verträgen fixierten Höchstleis­tungen wurden bei 90 Prozent der Messungen nicht erreicht.

Ob der »Hafen 4.0« der Elbmetropo­le eine rosige Zukunft beschert, wie Senator Horch hofft, bleibt abzuwarten. Immerhin aber wähnt man sich durch das EU-Projekt »5G« in der Spitzenpos­ition der Hafenbranc­he.

Der Bund hat es versäumt, genügend Zollbeamte in den Häfen zu stationier­en, es gibt lange Wartezeite­n.

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Foto: dpa/Christian Charisius Auch Containerr­iesen konnten die Bilanz des Hamburger Hafens nicht verbessern.

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