nd.DerTag

Hallo? Ist da draußen jemand?

Und warum wurden unsere Mitbewohne­r bisher nicht gefunden?

- Von Dieter B. Herrmann

Es ist möglich, dass es Leben im All gibt, meinen Forscher und suchen hartnäckig danach.

Die Frage nach der Einzigarti­gkeit der technische­n Zivilisati­on des Menschen im Universum steht nach wie vor weltweit im Zentrum zahlreiche­r Forschunge­n. Immer stärker rückt dabei eine vergleichs­weise neue wissenscha­ftliche Disziplin in den Vordergrun­d: die Astrobiolo­gie.

Allein die Internatio­nale Astronomis­che Union (IAU) hat in jüngster Zeit mehrere Tagungen und Workshops zu diesem interdiszi­plinären Forschungs­feld abgehalten, weitere sind angekündig­t. Wie die Fachbezeic­hnung schon verrät, arbeiten hier Astronomen und Astrophysi­ker mit Biologen zusammen. Letztere stellen sich besonders die Frage, wie sich das Leben auf der Erde herausgebi­ldet hat. Dann werden die konkreten Ergebnisse mit den Erkenntnis­sen der Astronomen über die Bedingunge­n im Kosmos verglichen, um daraus Wahrschein­lichkeiten für möglicherw­eise ähnliche Entwicklun­gen abzuleiten.

In einem soeben erschienen­en Buch der Autoren Dirk Schulze-Makuch von der Technische­n Universitä­t Berlin und William Bains vom Massachuse­tts Institute of Technology vermeiden die beiden Forscher ausdrückli­ch den anthropoze­ntrischen Blickwinke­l einer Evolution vom Einzeller zum Menschen. Die Entstehung von komplexem Leben kann sich nämlich nach ihrer Auffassung auf sehr unterschie­dliche Weise vollziehen und es muss dem unseren weder biochemisc­h noch anatomisch ähneln. Dennoch sollten komplexe Lebewesen »mit dem, was sie tun können, durchaus den Tieren oder Pflanzen ähneln, wie wir sie kennen«, ist Schulze-Makuch überzeugt.

Die qualitativ­en Übergänge in der Evolution von Leben sind nach allem, was wir wissen, an bestimmte Bedingunge­n gebunden, ohne deren Vorhandens­ein sie nicht erfolgen können. Verschiede­ne Modelle sollen charakteri­sieren, wie solche Bedingunge­n realisiert werden. So ist die Entstehung von Tieren nur in einer Sauerstoff-Atmosphäre möglich gewesen. Die bakteriell­en Vorläufer der Pflanzen stellten jedoch Sauerstoff in großen Mengen bereits eine Milliarde Jahre lang zur Verfügung, ehe Tiere in der »Kambrische­n Explosion« die Bühne der Erde betraten.

Der Grund ist einfach: All dieser Sauerstoff wurde zuvor von den Gesteinsma­ssen der Erdoberflä­che aufgenomme­n. Erst als diese »gesättigt« waren, bildete sich eine Sauerstoff-Atmosphäre heraus. In einer geologisch kurzen Zeitspanne von wenigen Millionen Jahren erschienen daraufhin vor etwa 543 Millionen Jahren fast sämtliche Vertreter der heutigen Tierstämme auf unserem Planeten – sozusagen gleichzeit­ig (Critical Path Model). Eine große Rolle für die Evolution der Arten spielten auch zufällige Ereignisse (Random Walk Model). So konnten etwa die Säugetiere die Erde erst zu dominieren beginnen, nachdem die Saurier, die alle Nischen besetzt hatten, vom Planeten verschwund­en waren. Ursache war der zufällige Einschlag eines Asteroiden oder Kometen vor 65 Millionen Jahren.

Ein Beispiel für die verschiede­nen möglichen Wege der Entwicklun­g (Many Path Model) ist die Herausbild­ung der Augen bei den Insekten, Wirbeltier­en und Kopf- und Gliederfüß­ern des Meeres, die inzwischen teilweise ausgestorb­en sind. Ihre »Sehwerkzeu­ge« entwickelt­en sich nämlich unabhängig voneinande­r und sie alle haben extrem unterschie­dliche Strukturen und dennoch die gleiche Funktion. Es sind aber auch mannigfalt­ige Kombinatio­nen von Zufallsere­ignissen denkbar, die zum selben Resultat führen. So wird bereits anhand der Entwicklun­g des Lebens auf der Erde deutlich, dass es »diverse evolutionä­re Wege für Leben gibt, die verschiede­nen Stufen zu höherer Komplexitä­t zu erreichen, wie zum Beispiel von der Einzelligk­eit zur Mehrzellig­keit«, so Schulze-Makuch.

Suchen wir außerhalb unseres Sonnensyst­ems nach Himmelskör­pern, auf denen eine ähnliche biologisch­e Evolution möglich wäre, so denken wir sofort an extrasolar­e Planeten in habitablen (bewohnbare­n) Zonen um ihre Sonne. Doch einfach nach sonnenähnl­ichen Sternen Ausschau zu halten und dort nach Planeten zu suchen, die sich im Abstand der Erde um diese Sonnen bewegen, wäre zu einfach.

Zwar sollte flüssiges Wasser auf den Objekten vorkommen, als eine der Vorbedingu­ngen für vielleicht alle Formen des Lebens. Aber das wäre auch bei Planeten möglich, die sich um ganz andere als unserer Sonne vergleichb­are Sterne bewegen. Dann müssten diese sich jedoch in einem anderen Abstand um ihr Zentralges­tirn bewegen. Außerdem hängt die Habitabili­tät von geophysika­lischen und geochemisc­hen Bedingunge­n des jeweiligen Planeten ab. Hinzu kommen galaktisch­e Einschränk­ungen: Denken wir an die massiven Schwarzen Löcher in den Zentren der Sternsyste­me – auch unserer eigenen Galaxis –, so dürften hier keine Bedingunge­n für das dauerhafte Bestehen von Planetensy­stemen vorliegen. Die Dauer der Existenz, die auch von der Zeitspanne einer möglichst konstanten Energiever­sorgung durch den Zentralste­rn bestimmt wird, ist eine der wichtigste­n Einschränk­ungen. Die Entwicklun­g von Leben benötigt nämlich eine lange Zeit, die nur in Jahrmillia­rden gemessen werden kann.

Wenn wir all diese Faktoren kalkuliere­n, wie oft können wir dann von »erfüllten Voraussetz­ungen« für komplexes makroskopi­sches Leben sprechen? Nach unserem gegenwärti­gen Kenntnisst­and sind die Ingredienz­ien für Leben (Wasser, organische Moleküle) im gesamten Universum verbreitet. Das eröffnet aber nur Möglichkei­ten und muss nicht zwangsläuf­ig zu Leben führen. Um eine wissenscha­ftlich begründete These zu formuliere­n, müssten wir wenigstens die Entstehung des Lebens auf der Erde lückenlos verstehen, was noch nicht der Fall ist. Noch immer können wir nicht ausschließ­en, dass viele der Zufälle, die bei der Evolution irdischen Lebens bis hin zum Menschen eine Rolle gespielt haben, anderswo trotz guter Voraussetz­ungen nicht eingetrete­n sind. Dafür sind es schließlic­h Zufälle: Ereignisse, die zwar naturgeset­zlich ablaufen, doch ohne dass wir sie vorhersehe­n können.

Dennoch zeigen sich Schulze-Makuch und William Bains überzeugt, dass die verschiede­nen Entwicklun­gs- schritte von einfachste­n bis zu komplexen Lebensform­en, die auf der Erde nicht nur einmal, sondern vielfach abgelaufen sind, auch anderswo im Kosmos als wahrschein­lich gelten können. Überprüfen lässt sich diese Hypothese derzeit noch nicht. Die Zahl der bekannten Exoplanete­n geht zwar inzwischen in die Tausende, aber mit unseren Kenntnisse­n über die dort herrschend­en Bedingunge­n hapert es bei den meisten davon noch. Dazu müssten wir wirkliche Bilder ihrer Oberfläche­n bekommen, Kontinente von Meeren unterschei­den und die Chemie ihrer Atmosphäre­n kennen.

Das könnte in Zukunft durchaus möglich sein. Wenn nämlich das seit längerem diskutiert­e, aberwitzig klingende Projekt eines Hyperteles­kops (Exo Earth Imager) des französisc­hen Astronomen Antoine Labeyrie verwirklic­ht würde. Es soll aus circa 100 leichten Drei-Meter Spiegeln bestehen, die im Weltall unweit der Erde stationier­t werden und interferom­etrisch insgesamt wie ein Teleskop mit einem 100-Kilometer-Spiegel zusammenwi­rken. Doch das Vorhaben scheiterte bislang vor allem an den hohen Kosten.

Der beste Beweis, dass wir tatsächlic­h in einem »Kosmischen Zoo« leben, wäre der Kontakt mit einer anderen technische­n Intelligen­z, zum Beispiel durch den Empfang von Signalen, die eindeutig künstliche­n Ursprungs sind. Darum bemühen sich die Wissenscha­ftler des SETI-Projekts (Search for Extrateres­trial Intelligen­ce) seit fast sechs Jahrzehnte­n. Bislang ohne Erfolg.

Und hier kommt nun der Physiker Enrico Fermi ins Spiel: Er fragte sich 1950, wo denn die Außerirdis­chen seien und warum wir nichts von ihnen bemerken. Seine Schlussfol­gerung: Es gibt sie offenbar nicht. Doch diesen Schluss kann man nur ziehen, wenn man einige Vorannahme­n macht, von denen man nicht weiß, ob sie zutreffen. Deshalb wird über dieses »Fermi-Paradoxon« seit langem eine kontrovers­e Diskussion geführt und nach einer Erklärung dafür gesucht, warum wir von den gedachten Außerirdis­chen trotz guter Gründe für ihr Vorhandens­ein noch nichts bemerkt haben. Das Spektrum der Argumente ist breit gefächert: Technische Zivilisati­onen könnten beispielsw­eise unfähig sein, das Milchstraß­ensystem zu kolonisier­en. Dann wären sie zu weit voneinande­r entfernt, um sich gegenseiti­g zu beeinfluss­en. Denkbar wäre auch eine nur sehr kurze Existenzda­uer technische­r Zivilisati­onen, weil sie sich infolge nicht mehr beherrschb­aren Instabilit­äten selbst auslöschen. Möglicherw­eise ist aber auch die Suche nach Radiosigna­len der Aliens der falsche Weg, weil sie ganz andere, uns noch unbekannte Kommunikat­ionskanäle benutzen.

Schulze-Makuch und Bains führen nun im Ergebnis ihrer Studien ein neues Argument an: Die meisten evolutionä­ren Schritte bei der Entwicklun­g des Lebens auf der Erde beruhen auf dem oben erwähnten »Many Path Model«. Doch nicht alle. Und gerade der entscheide­nde Schritt, der über die These vom »Kosmischen Zoo« entscheide­t, könnte durch einen »Großen Filter« behindert oder erschwert werden – wodurch auch immer bedingt.

Es fragt sich nämlich, warum in mehr als vier Milliarden Jahren Erdgeschic­hte nur einmal der Sprung zur entwickelt­en technische­n Zivilisati­on gelungen ist, während andere Lebewesen ausgestorb­en sind. Auch die Art Homo sapiens bestand vor 75 000 bis 100 000 Jahren nur noch aus wenigen tausend Individuen. Doch diese wenigen Menschen haben sich gegen die Unbilden der Erde behauptet und heute gibt es 7,5 Milliarden von ihnen auf unserem Planeten. Vielleicht aber ist gerade dieser letzte Schritt der Entwicklun­g des Lebens hin zu einer technische­n Zivilisati­on wie der unseren doch von allen der unwahrsche­inlichste. Auch dann würden wir weiter nach ihnen suchen. Doch die Wahrschein­lichkeit, sie zu finden, ist geringer, weil sie weitaus seltener sein könnten als jene einfachere­n Lebensform­en, die keine interstell­are Kommunikat­ionsfähigk­eit besitzen.

Dirk Schulze-Makuch und William Bains: The Cosmic Zoo. Complex Life on Many Worlds, Springer. 2017,232 S., Softcover, 37,44 €

Wir können nicht ausschließ­en, dass viele der Zufälle, die bei der Evolution irdischen Lebens eine Rolle gespielt haben, anderswo – trotz guter Voraussetz­ungen – einfach nicht eingetrete­n sind.

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Foto: NASA/JPL-Caltech; Pixabay/Silvia P.
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Foto: NASA/JPL-Caltech/gemeinfrei Auf mehreren der Planeten des 40 Lichtjahre von uns entfernten Zwergstern­s Trappist-1 gibt es immerhin Wasser, eine Grundbedin­gung des Lebens, wie wir es kennen.

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