nd.DerTag

Freude und Wut

Nelli Tügel über die Freilassun­g des Journalist­en Deniz Yücel

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Es gibt Nachrichte­n, die machen glücklich – und ratlos zugleich. Dass der Journalist Deniz Yücel nach einjährige­r, mit absurden Vorwürfen begründete­r Haft endlich frei ist, ist uneingesch­ränkt großartig. Da gibt es kein aber, hätte, sollte.

Gleichzeit­ig hinterläss­t, was sich jüngst auf politische­r Ebene abspielte, einen bitteren Beigeschma­ck – bitter vor allem, da weiterhin so viele Menschen, die Mehrheit ohne internatio­nale Unterstütz­ung, unschuldig in türkischen Gefängniss­en sitzen. Am Mittwoch behauptete der türkische Ministerpr­äsident Yıldırım in einem Interview, er hoffe auf eine schnelle Freilassun­g Yücels. Doch die Entscheidu­ng obliege nicht ihm, sondern der Justiz.

Dass zwei Tage später und wenige Stunden nach seinem Besuch bei Merkel plötzlich die Anklagesch­rift vorlag und die Freilassun­g angeordnet wurde, konterkari­ert diese Aussage und zeigt einmal mehr: Die türkische Justiz ist nicht unabhängig, sondern folgt den Weisungen der Regierung. Es war eine politische Entscheidu­ng, Yücel als Geisel zu nehmen, und eine politische Entscheidu­ng, ihn zu entlassen. Ob Lösegeld geflossen ist, darüber schießen nun die Spekulatio­nen ins Kraut. Ein neuer Panzerdeal? Besteht ein Zusammenha­ng zwischen dem härteren Vorgehen gegen PKK-nahe kurdische Vereine in Deutschlan­d und der Freilassun­g? Werden die Verhandlun­gen über eine Ausweitung der Zollunion wieder aufgenomme­n? Was es auch war, das Signal könnte fatal sein. Denn wenn ein Geiselnehm­er mit seiner Masche durchkommt, wird er wieder zuschlagen.

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