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Politische Veränderun­gen in Iran nicht ohne Frauen

Nasrin Parsa über die vielen Vorläufer der jüngsten Frauenprot­este in der Islamische­n Republik

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Es ist das Bild der jüngsten Protestwel­le im Iran: Eine junge Frau steht in einer Straße im Zentrum von Teheran auf einer Plattform, unverschle­iert und ohne den obligatori­schen Mantel. Mit einem weißen Schal auf einem Stock winkt sie den Menschen. Die junge Frau wurde verhaftet. Sie heißt Vida Mowahed, ist 31 Jahre alt, verheirate­t und Mutter eines einjährige­n Kindes.

Landesweit gingen in der Folge junge Frauen (und auch Männer) mit farbigen Tüchern auf einem Stock auf die Straße. Es gibt Bilder von einer solchen Aktion vor dem »Revolution­sgericht« in Teheran und von Frauen, die unverschle­iert vor großen Moscheen posieren.

Die sozialen Proteste zum Jahreswech­sel wendeten sich gegen soziale Missstände, Korruption, unbezahlte Arbeit und leere Stadtkasse­n. Frauen fanden darin eine Gelegenhei­t, gegen Frauendisk­riminierun­g auf die Straße zu gehen. Das Kopftuch ist Symbol der Unterdrück­ung in der islamische­n Verfassung, in der Frauen zu Menschen zweiter Klasse erklärt werden. Dort heißt es, Frauen seien Eigentum ihrer Männer. Scheidung und Reiseerlau­bnis der Frauen sind nur mit Zusage ihrer Ehemänner möglich. Das Sorgerecht für die Kinder ab fünf Jahren liegt nur beim Vater oder dessen Vater. Beim Erbrecht erhalten Frauen die Hälfte von männlichen Familienmi­tgliedern ...

Der Widerstand der iranischen Frauen in den letzten vier Jahrzehnte­n islamische­r Regierung ist sehr groß. Im März 1979, einen Monat nach der Revolution, hatte Revolution­sführer Ayatollah Khomeini ein paar Tage vor dem Internatio­nalen Frauentag den berufstäti­gen Frauen verboten, unverschle­iert zur Arbeit gehen. Dagegen protestier­ten Zehn- tausend Frauen am 8. März. Gegendemon­stranten – mit Messern und Stöcken bewaffnete Männer – stürmten die Demonstrat­ion, bedrängten Frauen mit sexuellen Angriffen und beschimpft­en sie als Huren. Demonstran­tinnen wurden verhaftet, verletzt und verfolgt. Damals wurden auch die »Moralpoliz­istinnen« gegründet, schwarzver­schleierte Frauen, die unzählige Demütigung­en gegen »moderne« Frauen verübten. Ein Steinigung­sgesetz kam in Kraft und Hunderte Frauen wurden als »Sünderinne­n« gesteinigt.

Ende der 80er Jahre hat die Professori­n und Psychoanal­ytikerin Homa Darabi aus Protest gegen Frauendisk­riminierun­g ihr Kopftuch auf einer Teheraner Straße verbrannt, sich mit Benzin übergossen und angezündet. Sie starb kurz darauf an ihren Verletzung­en. Sie war eine der Gründerinn­en der Frauenorga­nisation Jebhe Melli (Nationale Front).

In der Regierungs­zeit des Reformers Mohamad Khatami von 1997 bis 2004 wurden die Schleier der iranischen Frauen immer bunter und offener. Aus Amerika haben Designer für iranische Frauen »islamische Mode« entworfen: lange bunte Kopfbedeck­ung, kurze Mäntel, Schuhe mit hohen Absätzen. Die Teheraner Straße wurden in den westlichen Medien so zur Botschaft der »modernen« iranischen Frauen. Farbe allein ist auch ein Widerstand­ssymbol gegen die Moralpoliz­istinnen. In den vergangene­n Jahren wurden zwei Millionen Frauen deshalb verhaftet.

Nach den Präsidents­chaftswahl­en 2009 ist die den Reformiste­n nahestehen­de Journalist­in Masih Alinejad geflüchtet und hat in New York den Internetfe­rnsehsende­r »Tablet« gegründet. Sie rief Frauen auf, jeden Mittwoch mit einem weißen Kopftuch hinauszuge­hen und damit eine Zeichen mit dem obligatori­schen Kopftuch zu setzen. Was allerdings starke Kritik nach sich gezogen hat: Die Frauen wollen kein Kopftuch, weder weiß noch bunt. Das ist der Punkt von der »Frau der Straße der Revolution«, Vida Mowahed. Sie hat das weiße Kopftuch auf den Stock gehängt und dagegen protestier­t.

Die iranischen Frauen haben seit der Zeit ihrer Urgroßmütt­er für die Teilnahme an politische­n Entscheidu­ngen gekämpft. Von der konstituti­onellen Revolution bis heute. Die politische­n Änderungen im letzten Jahrhunder­t waren und sind in Iran ohne Frauen nicht denkbar.

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Foto: privat Nasrin Parsa ist freie Publizisti­n und Filmregiss­eurin. Sie wurde in Iran geboren und lebt seit 1985 in der BRD.

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