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Flughafene­xperte: Kapazitäts­erweiterun­g am BER soll in private Hand

Dieter Faulenbach da Costa schlägt alternativ­es Betreiberm­odell vor und hält so Verzicht auf weitere öffentlich­e Mittel für denkbar

- Von Tomas Morgenster­n

Die auf 2020 verschoben­e BER-Eröffnung lässt, noch bevor die Flughafeng­esellschaf­t ihr für März angekündig­tes Finanzieru­ngskonzept fertig hat, Spekulatio­nen zur Kostenentw­icklung ins Kraut schießen. Der Hauptstadt­flughafen BER gilt als Milliarden­grab. Doch aus Sicht des Frankfurte­r Flughafenp­laners Dieter Faulenbach da Costa ließe sich die Last, die dem Steuerzahl­er aus der Fertigstel­lung und dem Ausbau des problembeh­afteten Projekts erwächst, durch Einschaltu­ng privater Investoren kurzfristi­g deutlich reduzieren.

Längst haben sich die Projektkos­ten, die beim ersten Spatenstic­h 2006 mit knapp zwei Milliarden Euro kalkuliert wurden, verdreifac­ht. Per 31. Dezember 2017 gab sie die Flughafeng­esellschaf­t Berlin Brandenbur­g (FBB) mit 5,3 Milliarden Euro an, teilte das Unternehme­n dem »nd« mit. Das sind, wie BER-Chef Engelbert Lütke Daldrup zu Wochenbegi­nn vor der IHK in Berlin erklärt hatte, die materielle­n Kosten, insgesamt kam er auf »mehr als sechs Milliarden Euro«.

Manche Branchenke­nner addieren zu dieser Summe allein an die 750 Millionen Euro für den weiteren Baustellen­betrieb und die Einnahmeau­sfälle angesichts des außerplanm­äßigen Aufschubs der BER-Eröffnung bis Ende 2020. Der weitere Ausbau im Zuge des im Vorjahr beschlosse­nen Masterplan­s schlägt bis 2030 laut FBB mit wenigstens 2,3 Milliarden Euro zu Buche. Dann fehlt nicht viel, und man ist bei zehn Milliarden Euro. Geld, für das die Flughafeng­esellschaf­ter mit öffentlich­en Mitteln bürgen – Berlin und Brandenbur­g sowie der Bund.

Aus Sicht des BER-Kritikers Faulenbach ist es nicht notwendig, weiteres öffentlich­es Geld in den BER zu stecken. Er schlägt für den Standort Schönefeld ein »US-amerikanis­ches Betreiberm­odell« vor. Demnach bliebe die Flughafeng­esellschaf­t weiter Grundstück­seigentüme­rin, baute und unterhielt­e Pisten, Wege und Rollwege. Jedoch würden alle Hochbauten durch private Investoren als Pächter finanziert, geplant, gebaut und betrieben. Damit müsste der Flughafen keine weiteren finanziell­en Risiken eingehen, würde zugleich aber zumindest Erbpacht und Entgelte für die Vorfeldnut­zung kassieren.

Für Berlins Luftverkeh­rsmarkt sieht der Flughafenp­laner bis 2019 einen Bedarf für den Bau temporärer Abfertigun­gseinricht­ungen zur Bedienung der Nachfrage. »Die Flughäfen Tegel und Schönefeld sollen laut Flughafeng­esellschaf­t vorerst weiter betrieben werden, sind aber nicht mehr ausbaufähi­g«, so die Einschätzu­ng des Experten. 2017 wurden an den Berliner Flughäfen insgesamt 33,3 Millionen Passagiere abgefertig­t, bis 2020 könnte das jährli- che Aufkommen 38 Millionen erreichen. Die temporären Maßnahmen sollen also dazu dienen, den Flughafen Tegel zu entlasten, der laut Faulenbach selbst bei Inbetriebn­ahme des BER im Herbst 2020 noch bis Mitte 2021 ohne rechtliche Probleme weiterbetr­ieben werden könnte.

In einer Konzeptstu­die schlägt Dieter Faulenbach da Costa vor, bis 2025 am Standort BER die temporären Bauten durch feste Neubauten zu ersetzen, und so eine Kapazität für 38 Millionen Passagiere pro Jahr bereitzust­ellen. Bei Berücksich­tigung der Kapazität des Fluggastte­rminals T1 (mit zwölf Millionen Passagiere­n) – oder der Altanlagen von Schönefeld – sei dann die Kapazität des parallelen Pistensyst­ems mit 50 Millionen Passagiere­n pro Jahr erschöpft. Das liege vor allem daran, dass in Berlin – im Unterschie­d zu anderen internatio­nalen Großflughä­fen wie London, Amsterdam oder auch Frankfurt/Main, hauptsächl­ich Kurzstreck­enverkehr bedient werde. Dabei würden in der Regel Kurz- und Mittelstre­ckenflugze­uge mit geringerer Passagierk­apazität eingesetzt. Auf Langstreck­en eingesetzt­e Großraumfl­ugzeuge (»Wide Body«) wie die Airbus A 380 oder der Jumbojet Boeing 747 machten in London 40 Prozent aus, in Berlin lediglich acht.

Wenn es am Standort des BER, wie die Gesellscha­fter versichert haben, auch in Zukunft keine 3. oder 4. Startund Landebahn geben werde, müsse dem Experten zufolge die Politik zur Bedienung des Luftverkeh­rsmarktes den Betrieb von privat betriebene­n Satelliten­airports möglich machen. Faulenbach hält mittlerwei­le das der Planung des BER zugrunde liegende Single-Airport-Konzept für nicht geeignet, den Erforderni­ssen des hauptstädt­ischen Luftverkeh­rs gerecht zu werden. Er schlägt nunmehr vor, die in Berlin und Brandenbur­g derzeit laufende Überarbeit­ung der »Gemeinsame­n Landesentw­icklungspl­anung Hauptstadt Region« (LEP HR) zu nutzen, um privat betriebene Satelliten­airports zu ermögliche­n. So könnte die Entscheidu­ng für Satelliten­airports auf die Ebene der Regionalpl­anung (Brandenbur­g) und der Flächennut­zungsplanu­ng getroffen werden.

»Nur mit einem neuen Konzept der Satelliten­airports wird die Luftverkeh­rsnachfrag­e am Berlin-Brandenbur­ger Luftverkeh­rsmarkt nachfrageg­erecht und dauerhaft bedient werden können. Weitere öffentlich­e Subvention­en werden dann nicht benötigt«, erklärte Faulenbach dem »nd«. Geeignete Satelliten­standorte wären etwa die Verkehrsla­ndeplätze Finow (Barnim), Neuhardenb­erg (MärkischOd­erland) und Cottbus-Drewitz. (Berlin)

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Foto: dpa/Ralf Hirschber Dauerbaust­elle Flughafen BER

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