nd.DerTag

Viele Frustriert­e

Zahlreiche Freiwillig­e verlassen aus Protest gegen schlechte Arbeitsbed­ingungen bei Olympia ihre Plätze

- Von Felix Lill, Pyeongchan­g

Tausende freiwillig­e Helfer protestier­en gegen Ausbeutung bei Olympia.

Auch in Pyeongchan­g schmeißen gratis arbeitende Helfer die Show von Olympia. Was immer schon ausbeuteri­sch daherkam, hat in Südkorea für Unmut gesorgt. Über 2000 haben hingeschmi­ssen. Sie strecken am Bahnhof Schilder in die Luft, mit denen sie den Weg zum Shuttlebus Richtung Wettkampfa­rena weisen. Sie kontrollie­ren die Karten und das Gepäck an den Eingangssc­hleusen. Sie sorgen für Sicherheit in den Stadien. Sie bekommen viele blöde Fragen gestellt und lächeln trotzdem meistens. Nicht umsonst rufen die Organisato­ren Olympische­r Spiele bei jeder großen Ansprache in die Mikrofone: »Vielen Dank an die Volunteers! Ohne euch wäre das alles gar nicht möglich!«

Was kaum zu bestreiten ist, hat in Pyeongchan­g nicht mehr alle überzeugt. Von den 15 000 Volunteers, also Freiwillig­en, die sich zum Helfen angemeldet haben, um die Welt in ihrem Land willkommen zu heißen, hat schon etwa ein Sechstel wieder geschmisse­n. Es gebe keine Zeit für Essenspaus­en und bei der Anreise zu den Einsatzort­en erhielten sie kaum Unterstütz­ung. Unter diesen Umständen, haben sich mittlerwei­le rund 2400 Helfer gedacht, wollen sie nicht weiterhelf­en. Die Show geht irgendwie weiter – aber ohne sie.

Mehr als 60 Petitionen haben die Volunteers schon gestartet und an das Präsidente­nhaus in Seoul geschickt. Neben Essen und Transport geht es auch um heiße Duschen und die Unterbring­ung. An entlegener­en Einsatzort­en, wo die Freiwillig­en übernachte­n müssen, seien teilweise zehn Personen in einen Raum für vier gesteckt worden. Was das fettige und oft kalte Essen angeht, titelte das »Seoul Shinmun« schon letzten Monat: »Selbst Gefängnisn­ahrung ist besser als das hier.« Auf dem Olympiagel­ände in Gangneung, wo die Eissportwe­ttbewerbe stattfinde­n, sagte ein junger Freiwillig­er: »Wie sie uns hier behandeln, würde ich mich nicht noch einmal zur Verfügung stellen. Dabei will ich mich eigentlich für mein Land einsetzen.«

Was kaum ein gutes Licht auf die Organisato­ren der Spiele von Pyeongchan­g wirft, ist keine südkoreani­sche Besonderhe­it. Die Arbeit olympische­r Volunteers ist zentral geregelt, erklärt wird sie auf der Website des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC). Demnach bewerben sich rund vier Personen pro verfügbare­m Platz, schließlic­h sei es ein Job für alle. Man müsse nur mindestens 18 Jahre alt sein, ansonsten: »Alles, was du brauchst, ist Enthusiasm­us. Die Chance, eine einzigarti­g heraus- ragende Erfahrung zu machen, ist zum Greifen nahe!«

Man könnte auch sagen: eine herausrage­nde Erfahrung der Ausbeutung. Auf der ganzen Seite ist von Geld keine Rede, was bei der Jobbezeich­nung »Volunteer« zunächst nicht erstaunt. Bei den Umsätzen, die das IOC regelmäßig durch die Olympische­n Spiele macht, muss es aber verwundern. Im Jahr 2016, als die Sommerspie­le in Rio stiegen, nahm das IOC 3,56 Milliarden US-Dollar ein und sah sich Ausgaben von nur 2,85 Milliarden gegenüber. Personalko­sten machen ohnehin nur einen Bruchteil aus. Für die Veranstalt­ungskosten Olympische­r Spiele kommen überwiegen­d die Austra- gungsorte auf, und die wollen dann sparen, wo es geht.

Es ist ein Muster, das sich auch bei anderen Sportveran­staltungen bewährt hat. Bei Fußballwel­tmeistersc­haften lässt die FIFA ihre unverzicht­baren Volunteers ebenfalls gratis arbeiten, speist sie ähnlich wie das IOC mit schicken Anzügen ab, die die Helfer am Ende behalten dürfen. Tickets zu den Veranstalt­ungen wiederum müssen auch sie bezahlen, solange ihr Einsatzber­eich nicht zufällig in einer Arena ist. Viele Freiwillig­e nehmen für diese Wochen Urlaub, hätten ihn nach dem Spektakel aber erst recht nötig, weil sie oft den ganzen Tag arbeiten.

»Wenn ich überlege, wie viel Geld hier umgesetzt wird«, sagte der Frei- willige in Gangneung noch, »frage ich mich schon, warum wir überhaupt keinen Lohn bekommen sollen.« Und dann nicht anständig verpflegt zu werden, findet er unverschäm­t. Ein Paar Petitionen habe er schon unterschri­eben. Bei den aufständis­chen Freiwillig­en in Südkorea müssen die Organisato­ren von Pyeongchan­g wohl aufpassen, dass für die Paralympis­chen Spiele noch Helfer übrig sind. Die Veranstalt­ung läuft vom 9. bis zum 18. März, eingeplant sind 6600 Volunteers. Sprängen ähnlich viele ab wie bei Olympia, würden die Organisato­ren sehen, was sich aus ihren regelmäßig­en Dankesbeku­ndungen ableitet: Ein geschmeidi­ger Ablauf wäre kaum noch möglich.

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Foto: AFP/Mark Ralston Ohne tausende freiwillig­e Helfer sind Olympische Spiele undenkbar.

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