nd.DerTag

Viele Befürchtun­gen

Sieben Leihanbiet­er tummeln sich inzwischen auf den Straßen

- Von Nicolas Šustr

Sieben Leihradanb­ieter buhlen in Berlin um Kunden.

In immer mehr Bezirken tauchen die farbenfroh­en Fahrräder neuer Bike-Sharing-Anbieter auf. Bis zu 30 000 könnten es bald sein. Ob sich ausreichen­d Nutzer dafür finden, ist offen. Eines Morgens waren sie da. Ordentlich in Fünfergrup­pen aufgereiht standen die orangefarb­enen Fahrräder des Verleihers moBike an jeder zweiten Friedrichs­hainer Kreuzung. Die Nutzung ist ganz einfach: App für das Smartphone herunterla­den, anmelden und schon kann die Fahrt losgehen. Ohne Gangschalt­ung und mit Vollgummir­eifen ausgestatt­et ist das Fahrgefühl aber eher etwas für Hartgesott­ene.

Neben moBike tummeln sich mit oBike, ofo, byke, Donkey Republic Bikes und Lidl-Bikes insgesamt sechs eigenwirts­chaftliche Anbieter mit einigen Tausend Rädern auf dem Berliner Markt. Wenn sie die Ankündigun­gen wahr machen, könnten es Zehntausen­de werden. Und das alles neben den knapp 2800 Fahrrädern des vom Senat beauftragt­en Anbie- ters nextbike, die an 182 festen Stationen in sieben Bezirken bereitsteh­en.

Die Sorge geht um in der Hauptstadt, dass Münchner Verhältnis­se drohen. Innerhalb kurzer Zeit verteilte das Unternehme­n oBike aus Singapur fast 7000 Räder in der Stadt. Genervte Anwohner stapelten sie zu Riesenhauf­en, damit sie aus dem Weg sind. Vandalen fanden noch kreativere Lösungen. »Das kann das durchdacht­e Bike-Sharing-System, das für viel Geld aufgebaut wird, in Misskredit bringen«, fürchtet Martina Hertel, Mobilitäts­expertin des Deutschen Instituts für Urbanistik (DIfU). 1,5 Millionen Euro Zuschuss erhält nextbike jährlich vom Senat. Anderersei­ts verweist sie auf die Zahlenverh­ältnisse: »Selbst wenn bald 30 000 Leihräder auf den Straßen sind, stehen sie rund 1,2 Millionen Pkw gegenüber.«

»Die Befürchtun­gen zeigen vor allem, dass nach wie vor nicht ausreichen­d Fahrradabs­tellplätze gibt«, sagt Denis Petri vom Fahrrad-Volksentsc­heid. »Wir hatten immer gefordert, dass die Flächen dafür nicht von den Bürgerstei­gen, sondern von den Fahrbahnen abgeknapst werden«, so Petri. »Wegen der konkurrier­enden Nutzungsan­sprüche in der Innenstadt lässt sich das allerdings nicht über Nacht umsetzen«, gibt Hertel zu bedenken.

Doch anscheinen­d haben die Anbieter gelernt. Solange nicht mehr als fünf Räder auf einem Fleck stehen,

»Es werden Massen an Billigräde­rn in den Markt geschoben, die nicht gebraucht werden.« Georg Honkomp, ZweiradEin­kaufs-Genossensc­haft

geht man beim Senat vom sogenannte­n Gemeingebr­auch des Straßenlan­des aus, für die keine Genehmigun­g erforderli­ch ist. »Wir sind dabei, einen Leitfaden für die Bezirke zu entwickeln«, sagt Matthias Tang, Sprecher der Verkehrsve­rwaltung.

Die Stadt Köln hat einen recht umfangreic­hen Katalog mit Verbotszo- nen für die Aufstellun­g von Leihrädern sowie weitreiche­nden Qualitätsv­orgaben erarbeitet. »Wie rechtssich­er das ist, kann ich nicht beurteilen«, so Hertel.

Generell stoßen die aggressiv auftretend­en Start-ups aus dem asiatische­n Raum, wie moBike aus China, auf Skepsis. »Es werden Massen an Billigräde­rn in den Markt geschoben, die nicht gebraucht werden«, kritisiert­e Georg Honkomp, Vorstandsv­orsitzende­r der Zweirad-Einkaufs-Genossensc­haft, unlängst. »Da ergeben sich Berge an Aluminiumm­üll.« Unklar ist bei den neuen Anbietern auch, was mit den über die Smartphone­s erhobenen Daten passiert. Im Gegensatz zu nextbike und Lidl-Bike werden dort auch Bewegungsp­rofile gespeicher­t.

Wie tragfähig das Geschäftsm­odell der neuen Anbieter überhaupt ist, muss sich noch zeigen. Noch pumpen Investoren viele Millionen Euro in die Unternehme­n. In China mussten bereits mehrere Firmen aufgeben. »Wir sehen für Räder mit Vollgummib­ereifung und ohne Gangschalt­ung in Deutschlan­d nicht wirklich eine Perspektiv­e«, sagt Hertel.

 ?? Foto: nd/Ulli Winkler ??
Foto: nd/Ulli Winkler
 ?? Foto: nd/Ulli Winkler ?? Sinnvolles Angebot oder materialis­ierter Wahnsinn der Start-Up-Wirtschaft? Leihräder des chinesisch­en Anbieters moBike vor dem SEZ
Foto: nd/Ulli Winkler Sinnvolles Angebot oder materialis­ierter Wahnsinn der Start-Up-Wirtschaft? Leihräder des chinesisch­en Anbieters moBike vor dem SEZ

Newspapers in German

Newspapers from Germany