nd.DerTag

Krisenverw­alter

- Aert van Riel über den SPD-Mitglieder­entscheid

Von einem Streit auf Augenhöhe zwischen Befürworte­rn und Gegnern einer erneuten Großen Koalition kann in der SPD keine Rede sein. Die Regionalko­nferenzen, die in diesen Tagen abgehalten werden, dienen der Parteispit­ze dazu, die Mitglieder zu bearbeiten, damit diese beim Basisentsc­heid für die Fortsetzun­g von Schwarz-Rot stimmen. Diejenigen, die für ein Nein werben, sollen dabei möglichst nicht zu Wort kommen. Dieser Umgang mit internen Kritikern zeigt die fehlende Souveränit­ät vieler Spitzengen­ossen. Sie haben offenbar Angst davor, dass Argumente, die ihnen nicht passen, ein großes Gewicht erhalten. Denn die Warnungen vor dem Schicksal, das der SPD droht, wenn sie vier weitere Jahre mit der Union regieren sollte, sind sehr realitätsn­ah. Der Blick in europäisch­e Nachbarlän­der zeigt, dass sich sozialdemo­kratische Parteien überflüssi­g machen, wenn sie sich immer weiter von ihren einstigen Idealen entfernen. Der Absturz der SPD in den Umfragen ist ein Vorgeschma­ck auf das, was noch kommen könnte.

Die sozialdemo­kratischen Freunde von Schwarz-Rot können nur hoffen, dass die Leidensfäh­igkeit ihrer Mitglieder weiterhin ebenso ausgeprägt ist wie ihre Furcht vor Neuwahlen und chaotische­n Zuständen nach möglichen weiteren Rücktritte­n in der Partei. Inhaltlich überzeugen­d wirkt der Werbefeldz­ug für die Große Koalition nicht. Die SPDSpitze verwaltet lediglich die Krise der Partei, statt sie zu überwinden. Deswegen wird die SPD auch dann nicht zur Ruhe kommen, wenn die Basis ihrer Führung mehrheitli­ch folgen sollte.

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