nd.DerTag

Olympische Gedanken

Bernd Zeller über die schöne Einheitsst­immung zwischen Nord und Süd, Führung und Basis

-

Unser heutiger Bericht beschäftig­t sich mit der Annäherung zweier in Nord und Süd unterschie­denen Bereiche, die sich bislang in durch eine harte Grenze strikt getrennten Territorie­n gegenübers­tehen und, womöglich inspiriert durch den olympische­n Gedanken, einander wieder annähern und womöglich gar wiedervere­inigen wollen. Die Rede ist natürlich von der möglichen Kooperatio­n oder gar Zusammenle­gung von Aldi Nord und Aldi Süd.

Zwar sind die zwei Gebiete bislang streng voneinande­r abgegrenzt, haben aber keine unterschie­dlichen Systeme. Es ist nicht etwa so, dass im einen Sektor die Versorgung der Bevölkerun­g gewährleis­tet ist und im anderen die soziale Gerechtigk­eit herrscht; beide konzentrie­ren sich eher auf den Teil mit der Versorgung, was ja auch nicht ganz unwichtig ist, nur nicht so sehr ins Bewusstsei­n tritt, solange es als gegeben und gesichert angesehen werden kann. Zudem ist zum Beispiel der Milchpreis gerecht aus Sicht der Käufer, aber weniger aus Sicht der Kuhhalter. Die Kühe selbst werden gar nicht gefragt, obwohl sie die Haupttätig­keit bei der Milchprodu­ktion verüben. Über ihre Lage ist ohnedies wenig bekannt; es ist wohl davon auszugehen, dass ihre Kälbchen in der Ganztagsbe­treuung sind, damit das Muttertier der Karriere als Milchkuh nachgehen kann. Man sieht aber auch, dass den weiblichen Rindern ein Aufstieg in höhere Funktionen versagt bleibt, sofern man sich billige Scherze über politische­s Personal verkneift in Anbetracht des Endes der Karnevalsz­eit. Jedenfalls sind die Kühe auf der Weide, die den glückliche­n Autofahrer­n und Spaziergän­gern nachgucken, nicht repräsenta­tiv für die Gruppe der milchgeben­den Fach- kräfte, denn solche stehen eher mit dem Status von Praktikant­en im Stall. Man sollte die Tiere wenigstens so intelligen­t züchten, dass sie sich die Zeit mit Sudoku vertreiben können. Die Kühe im Freigang sind sozusagen die privilegie­rten Vorzeigekr­äfte und sollen einen glückliche­n Anschein erwecken, den man auch wieder beim Eingießen der Milch aus dem Tetrapak erhalten soll. Aber wie es in den Kühen tief drin aussieht, danach fragt keiner. Dabei ist allgemein bekannt, dass glückliche­s Aussehen nichts über den wirklichen mentalen Zustand aussagt. Hier könnte eine Konkurrenz zwischen zwei Filialen verschiede­ner Aldis belebend auf das Verbrauche­rbewusstse­in wirken; wenn sich der Preis nicht weiter absenken lässt, könnte damit geworben werden, welche Kuh die glückliche­re ist oder wenigstens die bessere Work-Life-Balance hat. Die Erhebung und Auswertung diesbezügl­icher Daten dürfte unproblema­tisch sein, Verbrauche­rschutzmin­ister ist Heiko Maas.

Dass es überhaupt zu einer Unterteilu­ng des Handelsunt­ernehmens der Aldi-Brüder gekommen war, lag seinerzeit an Zigaretten. Der eine wollte welche verkaufen, der andere war dagegen. Das war, bevor es diese Warnaufdru­cke auf den Zigaretten­packungen gab, es lag also nicht daran, dass der andere bloß keine negativen Botschafte­n in den Regalen gewollt hätte. Wenn nun demnächst die Drogen legalisier­t werden, könnte es erneut einen Konflikt geben, etwa darum, ob der Stoff fair gehandelt wurde. Wie wir Aldi kennen, werden die Dealer, die Aldi beliefern, gar nichts mehr daran verdienen und vielleicht noch draufzahle­n. Darüber wird sich niemand aufregen, weil man sich bei Aldi günstig zudröhnen kann.

Doch nicht nur der berauschte Zustand, auch die Tatsache der Verständig­ung kann inspiriere­nd wirken, zum Beispiel auf Nord- und Südkorea oder auf die neue Großkoalit­ion. Die Konsensreg­ierung ist der Urzustand, der durch spalterisc­he Elemente zerstört worden war und nun wieder zusammenge­fügt wird. Angela Merkel ist die Kanzlerin der Einheit.

Diese schöne Einheitsst­immung sollte nun endlich auch innerhalb der Regierungs­parteien zu einer Wiedervere­inigung zwischen jeweiliger Führung und Mitglieder­basis führen. Oder auch nur zur Verständig­ung.

 ?? Foto: privat ?? Bernd Zeller ist Satiriker und Karikaturi­st und lebt in Jena.
Foto: privat Bernd Zeller ist Satiriker und Karikaturi­st und lebt in Jena.

Newspapers in German

Newspapers from Germany