Rechtsstreit verloren, Solidarität gewonnen
Onlinekampagne sammelt fast 50 000 Euro, um einen Berliner im juristischen Kampf gegen die AfD zu unterstützen
Nathan Mattes könnte man als Sammler bezeichnen. Der 25-Jährige Berliner sammelt jedoch keine Bierdeckel, Feuerwehrautos oder MagicKarten, sondern besonders pikante Originalzitate der AfD. Auf seiner Homepage wir-sind-afd.de dokumentiert Mattes seit 2015 Entgleisungen der Partei. Kostprobe: »Diese Kümmelhändler, diese Kameltreiber sollen sich dorthin scheren, wo sie hingehören. Weit, weit, weit hinter den Bospurus.« Das sagte der Vorsit- zende der AfD-Sachsen-Anhalt, André Poggenburg. Oder der prominente, thüringische Rechtsausleger Björn Höcke: »Die Evolution hat Afrika und Europa – vereinfacht gesagt – zwei unterschiedliche Reproduktionsstrategien beschert.«
Im Gespräch mit dem »nd« erzählt Mattes von seiner Idee. Im Vorfeld der Landtagswahlen in Baden-Württemberg 2015 überlegte er: Wie kann ich mich gegen die Partei engagieren? Ihm kam der Gedanke, die Partei für sich selbst sprechen zu lassen. »Wir wollten Menschen zeigen, die mit dem Gedanken spielten diese Partei zu wählen, was für eine rassistische und menschenverachtende Gesinnung sich bei vielen Politikern versteckt.« So entstand die Website.
Der AfD gefiel das nicht. Seit Mai 2017 klagt die Partei vor dem Landgericht Köln und fordert, die Domain aufzugeben. Der Vorwurf: Mattes würde sich den Namen der Partei »anmaßen«. So würde eine »Namesverwirrung« entstehen. Mattes kontert: Er lege auf der Homepage offen, dass er die AfD für eine »rechtsextreme, rassistische und menschenverachten- de Partei« halte und eigne sich den Namen deshalb nicht an. Er entschied sich dagegen, die Homepage aufzugeben. Es kam zum Rechtsstreit – den Mattes verlor. Das Landgericht Köln entschied am 6. Februar zugunsten der AfD. Nun hat Mattes die Abmahnkosten und die Anwalts- und Gerichtskosten in Höhe von 9400 Euro zu tragen.
Ob er in Berufung geht, weiß der Netzaktivist noch nicht. Die letzten Wochen hätten »viel Kraft gekostet«. In sozialen Netzwerken wurde er beschimpft, eingeschüchtert und be- droht. Ein User schickte ihm ein Foto von seinem Klingelschild. Allerdings war auch die Solidarität groß. Anwält*innen, Aktivist*innen und Bekannte unterstützen den AfD-Gegner. Eine Freundin startete eine Spendenkampagne, um die Prozesskosten zu begleichen. Mittlerweile sind fast 50 000 Euro zusammengekommen. Das nicht für den Rechtsstreit benötigte Geld wird zur Hälfte an den SeaWatch e.V. und die Flüchtlingspaten Syrien e.V. gespendet. Oder wie es im Aufruf der Kampagne heißt: »Projekte, die der AfD nicht gefallen«.