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»Es gefällt mir nicht, Schulden zu machen«

Portugiesi­sche GroKo oder Minderheit­sregierung: Neuer Konservati­ven-Chef Rui Rio sendet versöhnlic­he Töne

- Von Heinz Krieger, Lissabon

Portos Ex-Bürgermeis­ter, Rui Rio, ist zum Nachfolger von Ex-Premier Passos Coelho als Parteichef gewählt worden. Rio signalisie­rte Bereitscha­ft zur Zusammenar­beit mit den regierende­n Sozialiste­n. In der konservati­ven Partei Portugals weht ein neuer Wind. Am Wochenende übernahm Rui Rio das Amt des Parteichef­s von Pedro Passos Coelho. Gewählt hatten ihn die Mitglieder der Sozialdemo­kratischen Partei PSD schon im Januar mit 54 Prozent der Stimmen. Die PSD ist nur dem Namen nach sozialdemo­kratisch, politisch ist sie eine konservati­ve Partei. Die portugiesi­schen Sozialdemo­kraten sind in der Sozialisti­schen Partei (PS) organisier­t, deren Chef Antonio Costa derzeit auch Premier des Landes ist.

Mit Costa will Rui Rio – sein voller Name lautet Rui Fernando da Silva Rio – gut zusammenar­beiten, kann sich sogar Duldung einer von ihm geführten Minderheit­sregierung oder eine große Koalition vorstellen. Das war bisher in der PSD nicht vorstellba­r. Die letzte Parlaments­wahl 2015 hatte die PSD mit Pasos Coelho zwar gewonnen, die absolute Mehrheit aber verfehlt.

Da er eine große Koalition mit den Sozialiste­n (PS) von Costa von vornherein ausschloss, holte sich dieser die Kommuniste­n und den links-grünen Block an Bord und bildete eine Linkskoali­tion. Rio will diese beiden Linksparte­ien nicht in der Regierung sehen und bot deshalb im internen Wahlkampf um das Spitzenamt seiner Partei Costa an, sogar eine sozialisti­sche Minderheit­sregierung zu tolerieren, obwohl die PSD mehr Abgeordnet­e als die PS hat.

Der 62-jährige frühere Bürgermeis­ter von Porto hat während Passos Coelhos Amtszeit dessen rigide Sparpoliti­k wegen der Nachteile für die Bevölkerun­g kritisiert. Diese Politik war, auch auf Druck der EU, notwendig, um Portugal nach der Finanz- und Wirtschaft­skrise wieder zum heutigen Wachstum zu führen.

Privat wie auch als Bürgermeis­ter von Porto – das Amt hatte er zwölf Jahre lang inne – ist Rio entschiede­n für den sparsamen Umgang mit den öffentlich­en wie den eigenen Geldern. In Porto sorgte er dafür, dass jede der Stadt in Rechnung gestellte Lieferung oder Dienstleis­tung binnen zwei Wochen bezahlt wurde. Und über sich selber sagte er einmal: »Ich weiß, dass Schulden machen kein Verbrechen ist, man sagt mir das. Aber es gefällt mir nicht.« Und er persönlich habe niemals auch nur einen Monat lang mehr Geld ausgegeben, als er verdient habe.

Rio ist streng erzogen und gut ausgebilde­t worden. Er wurde am 6. August 1957 in Porto geboren. Dort besuchte er die private »Deutsche Schule zu Porto«, die 2016 von Bundespräs­ident Joachim Gauck eine Urkunde erhielt, mit der sie als »Exzellente Deutsche Auslandssc­hule« ausgezeich­net wurde. Rio studierte nach dem Besuch dieser Schule an der Universitä­t Porto Wirtschaft­swissensch­aften. Er gilt als nüchter- ner Mann, nach portugiesi­schen Begriffen sogar als kalt. Der neue PSDParteic­hef liest viel, aber keine Romane, wie er selber sagt. Er liebe Sachbücher.

Die graue Eminenz der portugiesi­schen Konservati­ven, Ex-Präsident Anibal Cavaco Silva, nannte den neuen Parteichef in einem seiner seltenen Interviews gegenüber dem Magazin »Espresso«, das zum Parteitag der PSD erschien, einen »Macher«. Aber der einst sehr entschiede­ne Kämpfer gegen sozialisti­sche und sozialdemo­kratische Ideen fand interessan­terweise auch lobende Worte für den amtierende­n sozialisti­schen Regierungs­chef Costa: »Ein sehr geschickte­r Politiker.« Für Anhänger des neuen Mannes an der Spitze der portugiesi­schen Konservati­ven muss so etwas wie das Absegnen einer künftigen großen Koalition klingen.

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Foto: imago/GlobalImag­ens Rui Rio beim PSD-National-Kongress in Lisabon
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