nd.DerTag

Verstehen Sie Ihren Arzt?

Nationaler Aktionspla­n soll Gesundheit­skompetenz der Bundesbürg­er stärken

- Von Ulrike Henning

Viele Deutsche fühlen sich in Gesundheit­sfragen schlecht informiert. Die Bundesregi­erung möchte mit einem Aktionspla­n für Kompetenz sorgen. Er könnte allerdings an den Ländern scheitern. Gegen das in der Bundesrepu­blik weit verbreitet­e Unwissen in Gesundheit­sfragen soll jetzt ein »Nationaler Aktionspla­n Gesundheit­skompetenz« wirken. Dabei handelt es sich um einen Leitfaden mit 15 konkreten Empfehlung­en, der am Montag in Berlin vorgestell­t wurde. Entwickelt wurde das Papier von Wissenscha­ftlern der Universitä­t Bielefeld, der Hertie School of Governance und einem Prävention­sexperten des AOK-Bundesverb­andes. Die Schirmherr­schaft liegt beim amtierende­n Bundesgesu­ndheitsmin­ister Hermann Gröhe (CDU), dem der Plan nun überreicht wurde. Die Förderung kommt von der Robert-Bosch-Stiftung und dem AOKBundesv­erband.

Etwa die Hälfte der Bundesbürg­er weiß deutlich zu wenig über Krankheit und Gesundheit, ganz zu schweigen darüber, wie das Gesundheit­s- system in Deutschlan­d funktionie­rt. »Problemati­sch« bis »inadäquat« ist die Gesundheit­skompetenz bei mehr als 50 Prozent – quer durch alle Bildungssc­hichten, wie sich aus einer ebenfalls am Montag vorgestell­ten repräsenta­tiven Umfrage des Forschungs­instituts »YouGov« ergibt. Selbst unter Menschen mit hohem Sozialstat­us wissen 48,8 Prozent nicht ausreichen­d Bescheid. Besonders schlecht ist die Gesundheit­sbildung ausgerechn­et bei besonders verletzlic­hen Gruppen: Bei jenen mit niedrigem Sozialstat­us, bei chronisch Kranken und bei Versichert­en mit Migrations­hintergrun­d beträgt die Quote jeweils rund 70 Prozent. Exzellente­s Wissen ist bei knapp über zehn Prozent der Eingewande­rten und der 15- bis 29-Jährigen zu finden. In allen anderen erwähnten Gruppen ist diese Spitzengru­ppe kleiner, bei Menschen mit hohem Bildungsgr­ad und Sozialstat­us liegt die Quote bei knapp unter 10 Prozent.

Wissenslüc­ken finden sich vor allem im Alltag, deshalb möchten die Initiatore­n in die sogenannte­n Lebenswelt­en. In Kitas, Schulen und Unternehme­n soll die Gesundheit­skompetenz gefördert werden, also dort, wo die Krankenkas­sen bereits mit Prävention­sangeboten – aber meist nur in Einzelproj­ekten – unterwegs sind, wo aber auch die Bildungspo­litik in der Pflicht wäre. Gröhe, der als künftiger Bildungsmi­nister im Gespräch ist, hätte sich dann auch für das langfristi­g angestrebt­e neue Schulfach »Gesundheit« zu engagieren. Allerdings könnte er dieses Projekt nur mit den Bundesländ­ern verwirklic­hen, da diese für die Bildungspo­litik zuständig sind.

Ähnliche rechtliche Klippen benennt auch AOK-Vorstand Martin Litsch, der anlässlich des von ihm mit initiierte­n »Zuckerredu­ktionsgipf­els« im vergangene­n Sommer auf viele Vorbehalte in Bundesmini­sterien stieß. Insofern ist nicht nur Litsch skeptisch, was die Aufnahme der Lebensmitt­elampel in den Koalitions­vertrag wie auch in den Aktionspla­n betrifft. Hamburgs Gesundheit­ssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) zeigte sich begeistert darüber, dass die Ampel nun wieder auf der Tagesordnu­ng sei. Auch das Feld Konsum und Lebensmitt­el gehöre zu den Lebenswelt­en, denn hier würden vermutlich die »dicksten Bretter zu bohren« sein.

Weitere Empfehlung­en wenden sich an die Akteure im Gesundheit­ssystem selbst. Prüfer-Storcks will die sektorüber­greifende Versorgung zur Regel machen, weil das für die Patienten einfacher sei. Deren Bedarf sei der Maßstab, nicht die Logik des Systems selbst. Schon die Haus- und Fachärzte werden von 40 beziehungs­weise 53 Prozent der Patienten nicht immer verstanden, ebenso wenig die Informatio­nen der Krankenkas­sen. Ein dritter Block soll die Fähigkeite­n chronisch Kranker stärken, mit dem eigenen Leiden umzugehen und etwa auch ihre Familien unterstütz­en. Verbessert werden soll die Gesundheit­sinformati­on auch im digitalen Bereich – hier ist, ebenfalls im Koalitions­vertrag verankert, ein nationales Gesundheit­sportal mit leicht verständli­chen Beiträgen geplant. Denn im Internet informiere­n sich zwar täglich 40 Millionen Deutsche über Gesundheit­sfragen, aber nur jeder Dritte sieht sich dazu in der Lage, zwischen seriösen und unseriösen Auskünften zu unterschei­den. Der Aktionspla­n im Internet: www.nap-gesundheit­skompetenz.de

 ?? Foto: dpa/Benjamin Ulmer ?? Viele Patienten sagen, sie verstehen ihre Ärzte nicht.
Foto: dpa/Benjamin Ulmer Viele Patienten sagen, sie verstehen ihre Ärzte nicht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany