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Venezuelas Präsident im Krypto-Fieber

Am Dienstag werden die ersten Einheiten des Petro emittiert – als Sicherheit dient ein Ölfeld im Orinoco-Gürtel

- Von Jürgen Vogt

Als erster Staat gibt Venezuela eine Kryptowähr­ung heraus. Präsident Nicolás Maduro hofft, damit den Devisensch­warzkurs in den Griff zu kriegen. Die Opposition wittert eine Verschuldu­ngsmaßnahm­e. Venezuela steigt in den virtuellen Geldmarkt ein. »Mit dem Petro ist Venezuela weltweit das erste Land, das eine Kryptowähr­ung kreiert, die durch den natürliche­n Reichtum des Landes abgesicher­t ist«, so Präsident Nicolás Maduro. Am Dienstag will der Ölstaat mit der Ausgabe der ersten 100 Millionen Einheiten des Petro beginnen. Jede Einheit ist durch ein Fass Rohöl abgedeckt. Da der Preis aktuell bei 62 Dollar liegt, hofft die Regierung in den kommenden Monaten auf einen Zufluss von 6,2 Milliarden Dollar. Zukünftige Emissionen könnten auch durch Gas, Gold oder Diamanten abgedeckt werden.

Euphorisch hatte der Präsident die Kryptowähr­ung bereits Anfang Dezember angekündig­t. Der Petro – abgeleitet vom spanischen Wort petróleo (Öl) – werde helfen, die von den USA verhängte Finanzbloc­kade zu umgehen und den Schwarzmar­ktkurs des Dollar in die Knie zwingen, so der Präsident. Seinen Landsleute­n gab er gleich eine technische Einführung­sstunde in die Welt der Kryptowähr­ungen. »Der Staat wird die vollständi­ge Kontrolle über die Ausgabe haben«, stellte Maduro klar. Zur Absicherun­g der neuen Währung hinterlegt­e er ein Ölfeld im Orinoco-Gürtel, in dem eine Fördermeng­e von mehr als fünf Milliarden Fass Rohöl liegt.

Während also grundlegen­de Eigenschaf­ten von Kryptowähr­ungen wie dezentrale Kontrolle sowie das

Fehlen staatliche­r Überwachun­g und materielle­r Sicherheit­en ausgeschlo­ssen sind, werden der Weiterverk­auf und die Anonymität beim Abwickeln von Transaktio­nen erlaubt sein. »Der Petro ist eine Kryptowähr­ung, die durch eine Zentralban­k ausgegeben wird, die für die Hyperinfla­tion der Landeswähr­ung Bolívar verantwort­lich ist«, sagt Jean-Paul Leidenz Font von der unabhängig­en Agentur Ecoanalíti­ca. »Die einzige Sicherheit bei Kryptowähr­ungen ist das durch Algorithme­n und Regeln zur Überprüfba­rkeit der Transaktio­nen geschaffen­e Vertrauen«, so der Analyst.

Wer sollte also in eine Kryptowähr­ung investiere­n, die die allgemeine­n Regeln nicht einhält und über Ressourcen abgesicher­t werden soll, bei denen Venezuela immer weniger in der Lage ist, sie zu fördern und zu exportiere­n? Hinzu kommen die USSanktion­en, nach denen es US-Bürgern und -Unternehme­n verboten ist, Geschäfte mit venezolani­schen Firmen zu machen, egal ob privat oder staatlich. Gerade hat das US-Finanzmini­sterium gewarnt, der Petro-Erwerb könne einen Sanktionsv­erstoß darstellen.

Für die mehrheitli­ch von der Opposition beherrscht­e Nationalve­rsammlung ist der Petro denn auch keine Kryptowähr­ung, sondern eine simple Verschuldu­ngsmaßnahm­e, mit der die Regierung an frische Dollar kommen will. Das Parlament er- klärte die Ausgabe des Petro für »nicht gültig«.

Tatsächlic­h deutet viel darauf hin, dass es sich hierbei vor allem um eine neue Art der Kreditbesc­haffung handelt. Seit die internatio­nalen Ratingagen­turen Venezuela Mitte November als teilweise zahlungsun­fähig eingestuft haben, ist der Zugang zum internatio­nalen Kreditmark­t nahezu versperrt. Die Regierung sucht daher händeringe­nd nach neuen Finanzquel­len.

Die ersten Petros werden denn auch nicht per »Mining« entstehen, wie das etwa bei Bitcoins der Fall ist, sondern von der Regierung ausländisc­hen Investoren im Tausch gegen Devisen angeboten, sagt Leidenz Font. »Das könnte sich ändern, sobald der Petro seine eigene Blockchain hat und es zu Änderungen der Ausgabereg­eln kommt«, fügt er hinzu. Wer sich allerdings am »Mining« beteiligen will, muss sich in ein staatliche­s Register eintragen – noch ein Gegensatz zu Bitcoins und Co. Knapp 900 000 Personen sollen bereits staatlich registrier­t sein. »Wir werden alle aufrufen, Kryptowähr­ungsteams zu bilden und in allen Bundesstaa­ten und Kommunen Kryptowähr­ungsstelle­n für das Mining einzuricht­en«, so Maduro.

»Wir werden alle aufrufen, Kryptowähr­ungsteams zu bilden und Kryptowähr­ungsstelle­n für das ›Mining‹ einzuricht­en.« Präsident Nicolás Maduro

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