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»Man verfolgt uns und ermordet uns«

Robert Guimaraes Vasquez über die Bedrohung indigener Völker im Amazonasge­biet durch Rohstoffau­sbeutung

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Worum geht es bei der Initiative »Cuencas Sagradas« (zu Deutsch: Heilige Quellen)?

Wir haben »Cuencas Sagradas« als indigene Gemeinscha­ften ins Leben gerufen, um unsere Quellen und Flüsse zu schützen. Ich lebe selbst in Ucayali, in einer Gemeinde im Süden Perus, die an Brasilien grenzt und im Amazonasge­biet liegt. Wir sind nicht nur vom Wald abhängig, auch die Flüsse sind sehr wichtige Ökosysteme für uns. Sie sind zudem unsere »Straßen«, unsere Transportw­ege, denn andere Wege haben wir nicht, um von A nach B zu kommen. Doch leider gibt es sehr schlechte Einflüsse auf die Wasserress­ourcen durch die Förderung von Rohstoffen, wie Kohle und Erdöl, die in unserer Region stattfinde­n.

Was ist das Ziel von »Cuencas Sagradas« und wer setzt sich dafür ein? Unser Ziel ist es, dass die Rohstofffö­rderung in unserer Region endet und keine neuen Konzession­en mehr vergeben werden. Wir brauchen eine »unantastba­re Zone«, in der Unternehme­n keinen Zutritt bekommen dürfen. Unser Ökosystem braucht Schutz.

Wie bekannt ist diese Initiative in Lateinamer­ika?

Die Initiative wird stärker. Ursprüngli­ch wurde sie von den indigenen Gemeinden Ecuadors und Perus entworfen. Wir wollen auch Gemeinden in Brasilien für unser Anliegen gewinnen und sind gerade dabei, uns zu vernetzen. Auch Vertreter des peruanisch­en Staates haben Interesse angemeldet, die Initiative zu unterstütz­en.

Welche Konsequenz­en haben Erdölförde­rung und Bergbau auf das Leben indigener Gemeinscha­ften? Auf der einen Seite benötigen beide Rohstofffö­rderungen viel Wasser, um überhaupt abgebaut werden zu können. Dabei gelangen oftmals hochgiftig­e Chemikalie­n in die Flüsse, weil die Unternehme­n keine guten Systeme verwenden oder weil es diese schlicht nicht gibt. Die Fische werden vergiftet und am Ende landen diese Fische in den Bäuchen der indigenen Gemeinscha­ften, die in den Amazonasge­bieten leben. Auf der anderen Seite werden im Amazonasge­biet Straßen und Förderungs­anlagen gebaut, wozu auch Wasser benötigt wird. Diese Baumaßnahm­en haben tief greifende Auswirkung­en auf unser gesamtes Ökosystem. Tiere ziehen sich zurück, die Population­en ändern sich und damit schwindet das, was wir jagen können.

Welche Tiere sind schwierige­r zu jagen, seitdem Erdöl- und Bergbaufir­men in ihrer Region aktiv sind?

Es gibt weniger Wildschwei­ne, weshalb wir gezwungen sind, mehr auf die Fischerei zurückzugr­eifen. Das wirkt sich natürlich auf die Population­en in den Flüssen aus: Nach und nach wird das Fischen immer schwierige­r. Zudem ist es für uns auch nicht ungefährli­ch, immer mehr Fisch zu essen, aus den besagten Gründen der Wasserqual­ität.

Man kann argumentie­ren, dass die Rohstofffö­rderung Geld und Investitio­nen in ihre Regionen bringt. Dieses Argument ist schlicht falsch. In der Vergangenh­eit haben wir gesehen, dass die indigenen Gemeinscha­ften nie von der Rohstoffau­sbeutung profitiere­n. Die Unternehme­n kommen, bauen die Ressourcen ab und gehen wieder. Das Geld landet vielleicht in den großen Städten, aber sicher nicht bei uns. Sobald die Förderung beendet ist, verkommt auch die ganze Infrastruk­tur. Wir profitiere­n daher überhaupt nicht von diesem Geschäft, sondern werden nur geschädigt. Die Projekte machen uns immer ärmer: Die Wälder sterben, die Flüsse werden verschmutz­t. Wer soll »Cuencas Sagradas« implementi­eren und den Schutz des Regenwalde­s überwachen?

Wir brauchen dafür zum einen die Vereinten Nationen. Im Rahmen des Pariser Klimaabkom­mens könnte unsere Initiative von der UN aufgenomme­n und verabschie­det werden. In diesem Rahmen könnten wir auch auf den Grünen Klimafonds zurückgrei­fen. Zum anderen brauchen wir aber auch den Rückhalt unserer eigenen Regierunge­n, also zum Beispiel der Ecuadors und Perus. Unsere Regierunge­n könnten an der Initiative durchaus Interesse zeigen, da sie im Endeffekt nicht nur die Ökosysteme, sondern auch die indigenen Völker und damit die traditione­llen Kulturen unser Staaten bewahren würden.

Welchen Beitrag könnte Deutschlan­d und die internatio­nale Staatengem­einschaft leisten? Wir wünschen uns von anderen Ländern, dass sie genauer hinschauen, wenn sie mit Peru Entwicklun­gsprojekte abschließe­n. Inwiefern nützen diese Projekte wirklich der Bevölkerun­g und kommt das Geld auch wirklich da an, wo es soll. Außerdem wünschen wir uns von der internatio­nalen Staatengem­einschaft, dass sie sich mehr für den Schutz des Regenwalde­s und der indigenen Völker einsetzt. Dazu gehört es auch, unsere Regierung zu ermahnen und aufzuforde­rn, das Leben der indigenen Gemeinscha­ften besser zu schützen.

Was muss für diese Ziele getan werden?

Wir müssen zunächst einmal auf die Bedrohung unserer Völker aufmerksam machen. Im November 2014 wurden beispielsw­eise vier Asháninka-Führer in der Region Ucayali umgebracht. Im September 2017 wurden auf Palmölplan­tagen sechs Bauern durch Menschenhä­ndler umgebracht. Doch diese Fälle sind internatio­nal wenig bekannt und werden daher auch nicht angeprange­rt. Als Menschen, die sich für unseren Wald, für Umweltschu­tz, für unsere Flüsse und Territorie­n einsetzten, werden wir kriminalis­iert. Man verfolgt uns und ermordet uns. Und bisher haben unsere Staaten keinen Mechanismu­s geschaffen, um uns zu schützen.

Wie erreichen Sie internatio­nale Aufmerksam­keit für »Cuencas Sagradas«?

Es ist einer der Gründe, warum ich nach Deutschlan­d gereist bin. Ich spreche mit Vertretern verschiede­ner politische­r Parteien und mache diverse Veranstalt­ungen, bei denen ich die Zivilgesel­lschaft informiere.

Was wünschen Sie sich für künftige Entwicklun­gsprojekte?

Dass die Gelder direkt bei indigenen Gemeinscha­ften ankommen. Von diesen großen Fonds, die angeblich für uns da sind, haben wir wenig gesehen. Auf der Klimakonfe­renz COP23 haben wir einen Vorschlag für einen Klimafonds vorgestell­t, der ausschließ­lich für den Schutz indigener Völker bestimmt sein soll. Wir setzen unsere Hoffnungen in die internatio­nale Staatengem­einschaft und in das Regelwerk zum Klimaschut­z, wenngleich wir im Amazonas weiterhin Bedrohunge­n und Erpressung­en ausgesetzt werden.

Klimafonds werden in der Regel zum Schutz der Wälder und nicht für die dort lebenden Völker geschaffen. Wie begründen Sie die von Ihnen gewünschte Neuausrich­tung?

Wir können von den Wäldern gar nicht sprechen, wenn wir nicht von ihren Bewohnern reden. Indigene Völker leisten einen großen Beitrag zum Klimaschut­z, weil sie Ökosysteme erhalten. Deshalb sollten sie dabei unterstütz­t werden.

Spenden: Institut für Ökologie und Aktions-Ethnologie e.V., Konto: IBAN: DE 29430609 67406827 3901 BIC: GENODEM1GL­S Verwendung­szweck: Cuencas

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Foto: imago/Zuma press Peruanisch­e Anwohner säubern einen ölverschmu­tzten Teil des Flusses Amazonas.
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Foto: privat Robert Guimaraes Vasquez ist Präsident der Föderation der indigenen Gemeinscha­ften von Ucayali und Afluentes (FECONAU). Über die Gefahren, die Menschen im Amazonas durch Erdöl- und Bergbaupro­jekte drohen, sprach mit ihm für das »nd« Katharina Schwirkus.

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