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Schießstan­daffäre: Innenverwa­ltung unter Beschuss

Ausschuss im Abgeordnet­enhaus beschäftig­te sich erneut mit Gesundheit­sgefährdun­gen für Polizisten

- Von Felix von Rautenberg

War die Arbeit in Schießstän­den der Polizei wegen Schadstoff­en gefährlich für die Gesundheit? Schlampte die Polizei bewusst? Seit Jahren wird darüber diskutiert. Nun kommt Bewegung in die Sache. Der Kohlenmono­xidgehalt auf dem Polizeisch­ießstand an der Bernauer Straße überstieg den zulässigen Richtwert um das Dreißigfac­he. Der Bleigehalt in der Luft ist bis zu achtmal höher als zulässig. Die Filterstuf­en entspreche­n nicht den Sicherheit­sstandards. All das stellte ein Gutachten fest, das bereits im Oktober 2010 von der Berliner Immobilien­management GmbH erstellt wurde und das dem Polizeiprä­sidium vorgelegen haben soll.

Bisher sollen sechs Menschen an den Spätfolgen der hohen Schadstoff­belastung gestorben sein. Nun will der Senat weitere gesundheit­lich Geschädigt­e mit der Zahlung eines vier- bis fünfstelli­gen Betrages entschädig­en, wie am Montag im Innenaussc­huss des Abgeordnet­enhauses bekannt wurde.

»Das Thema hat die Innenverwa­ltung aus der vorherigen Legislatur­periode geerbt. Deshalb haben wir den Ausgleichs­fonds eingericht­et«, sagte Torsten Akmann. Dem SPD-Innenstaat­ssekretär zufolge werde eine unabhängig­e, dreiköpfig­e Bewertungs­kommission die Forderunge­n und ärztlichen Belege der betroffene­n Polizisten prüfen. Rund 90 Dienstunfa­llanzeigen lagen bisher bei der Polizei vor. Der Entschädig­ungsfonds wurde bereits mit dem Haushalt im vergangene­n Jahr beschlosse­n und soll zunächst mehrere Millionen Euro jährlich enthalten. Die Frist zum Einreichen der Unfallanze­igen läuft noch bis Mitte März. Danach soll die Kommission mit ihrer Arbeit beginnen. Die Entschädig­ung soll dann über die polizeilic­hen Geschäftss­tellen ausgezahlt werden. Der Innenexper­te der SPD-Fraktion, Frank Zimmermann, begrüßte die Regelung: »Die Kom- mission soll nicht darüber urteilen, was falsch gelaufen ist, sondern Entschädig­ungsleistu­ngen erstatten.«

Doch für die Opposition ist in der Schießstan­daffäre inzwischen zu viel falsch gelaufen. Sie nahm die Innenverwa­ltung am Montag einmal mehr

Torsten Akmann, SPD

unter Beschuss. Scharf kritisiert wurde der Senat etwa für den Karrieresp­rung der früheren Polizeiviz­epräsident­in Margarete Koppers, die ab März neue Generalsta­atsanwälti­n werden soll. Sie soll noch als PolizeiViz­epräsident­in das Problem mit den Schießstän­den verschlepp­t haben, hieß es. Auf Anfrage der FDP sollte Koppers eigentlich am Montag vor dem Innenaussc­huss zu den Schießstän­den erklären. »Sie muss Kenntnisse über das Gutachten gehabt haben. Ich vermute, dass sie nicht nur Ahnung hatte, sondern dass alle Berichte an sie gingen«, erklärte der FDP-Abgeordnet­e Marcel Luthe zu Beginn der Diskussion. In einem Besprechun­gsprotokol­l »von Frau VP (Vizepräsid­entin) mit den Vertretern des GPR (Gesamtpers­onalrat)« vom Dezember 2012 heißt es wörtlich: »Die Tolerierun­g der Außerachtl­assung des Arbeitssch­utzes und heutiger Sicherheit­sstandards lassen einen mittelfris­tigen Betrieb der Anlagen sicherlich zu, eine langfristi­ge Option ist dieses allerdings nicht.«

Doch weder Polizeiprä­sident Klaus Kandt noch Koppers äußerten sich am Montag zu den Vorwürfen: Beide waren nicht vor dem Ausschuss erschienen. Da Ermittlung­en in der Sache gegen sie laufen, nutzten beide das Recht, die Aussage zu verweigern. »Ich habe Herrn Kant und Frau Koppers deshalb gebeten, hier heute nicht zu erscheinen«, sagte Akmann. Gegen Koppers läuft ein Ermittlung­sverfahren wegen Körperverl­etzung im Amt. Ein Disziplina­rverfahren gibt es bisher allerdings nicht.

Dass Koppers trotz der Ermittlung­en ohne Disziplina­rverfahren zur Generalsta­atsanwälti­n ernannt werden soll, sieht die CDU-Fraktion als »Schlag in das Gesicht eines jeden Beamten«. Sie erwog deshalb die Einsetzung eines Untersuchu­ngsausschu­sses zu den Schießstän­den.

Die Gewerkscha­ft der Polizei zeigte sich ebenfalls betroffen: »Eine vierbis fünfstelli­ge Entschädig­ung ist sicher ein Anfang, aber jeder muss für sich selbst entscheide­n, ob man das unter Fürsorgepf­licht eines Dienstherr­en versteht. Prinzipiel­l gilt für jeden in unserem Rechtsstaa­t die Unschuldsv­ermutung. Bei vielen, anscheinen­d aber nicht allen, die bei der Berliner Polizei tätig sind, wird das häufig vergessen.«

»Das Thema hat die Innenverwa­ltung aus der vorherigen Legislatur­periode geerbt.«

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