»Wenn Ihr meine Zeilen erhaltet...«
Eine Ausstellung in Leipzig-Grünau zeigt die Abschiedsbriefe Leipziger Antifaschisten
Der 76-jährige Fritz Hundt gestaltete als Privatmann eine Ausstellung mit Abschiedsbriefen von Leipzigern und einer Leipzigerin, die 1945, kurz vor Kriegsende, ermordet wurden. Das Interesse ist groß. »Meine liebe Dora, Kinder und Eltern! Wenn Ihr meine Zeilen erhaltet, dann ist das Urteil gegen mich bereits vollstreckt und zwar heute 18 Uhr. Es ist also nun Tatsache, dass Ihr das spätere Leben ohne mich fortsetzen müsst.« Mit diesen Worten verabschiedete sich Arthur Hoffmann am 12. Januar 1945 von seiner Frau und den Kindern. Wenige Stunden später wurde er von den Nazis hingerichtet.
Eine Ausstellung mit 13 Abschiedsbriefen von in der Nazi-Zeit hingerichteten Leipzigern ist bis 16. März in der Kultur- und Freizeiteinrichtung Komm-Haus in Leipzig-Grünau zu sehen. Schon zur Ausstellungseröffnung im Januar waren zahlreiche Besucher da, seitdem reißt der Strom der Interessenten nicht ab.
»Wie schwer muss es sein, einen Zettel und einen Stift in die Hand gedrückt zu bekommen und in dieser Situation einen Abschiedsbrief zu verfassen?«, fragt Fritz Hundt. Der Leipziger war bei Archivstudien schon vor Jahren auf solche Abschiedsbriefe von Ermordeten des Nazi-Regimes gestoßen. Die Zeilen ließen ihn nicht mehr los. Und erst recht die Schicksale, die dahinter stehen. So gestaltete der 76Jährige als Privatmann eine Ausstellung mit 13 Abschiedsbriefen von Leipzigern und einer Leipzigerin, die 1945, kurz vor Ende des Krieges, hingerichtet wurden. Dr. Margarete Blank war die einzige Frau unter ihnen. Mit einer gewissen Naivität hatte sie, die selbst aus dem Baltikum stammte, Zweifel am »Endsieg« geäußert und wurde dafür zum Tode verurteilt. Eine aktive Widerstandskämperin war sie nicht.
Die meisten der in der Ausstellung Vertretenen gehörten der 1941 gegründeten kommunistischen Widerstandsgruppe Schumann-EngertKresse an, eine der größten im NaziReich. Im Sommer 1944 begann die Verhaftungswelle der Gestapo. Im Juli wurden Georg Schumann, Otto Engert und Kurt Kresse verhaftet. Sie wurden gefoltert, gaben aber Namen von Mitgliedern nicht preis. Im November 1944 verurteilte der Volksgerichtshof in Dresden sie zum Tod. Georg Schwarz, der auch zur Gruppe gehörte, schrieb an seine Familie: »Nehmt es mir nicht übel, dass ich Euch diesen Schmerz bereiten muss (...) Ich wünsche Euch Kraft und Haltung.«
Uwe Walther, kulturpädagogischer Mitarbeiter des Komm-Hauses, kennt den Leipziger Hobby-Historiker Fritz Hundt schon länger, wohnt der Senior doch in Grünau. Irgendwann erzählte Hundt, er hätte eine neue Ausstellung konzipiert. Der frühere Leh- rer für Mathematik und Physik, der unter anderem Expositionen zu »Luther« und zum »Zerstörten Leipzig« gemacht hat, entwirft immer alles zu Hause, quasi auf Verdacht und sucht dann Orte, wo seine Werke auch hängen können. Einen Computer hat Fritz Hundt nicht. Die Abschiedsbriefe, so wie sie in der Ausstellung prä- Georg Schwarz, Antifaschist
sentiert werden, tragen alle seine Handschrift, im wahrsten Sinne des Wortes. Das gibt ihnen etwas Persönliches. Gezeigt werden Porträtfotos, Zitate und biografische Eckdaten.
Komm-Haus Mitarbeiter Walther hat einen persönlichen Bezug zu dem Thema: »Mein Vater war Antifaschist, saß zwei Jahre im Zuchthaus. Wäre er hingerichtet worden, gäbe es mich nicht und auch nicht meine Kinder.«
Fritz Hundt ist Christ, sein ganzes Leben beschäftigen ihn die Schicksale der »Geschändeten«, wie er sie nennt, im Dritten Reich. Zu DDR-Zeiten besuchte er Auschwitz, später Buchen- wald, Dachau, Flossenbürg. Mehr als 400 Schicksale hat er recherchiert, dabei stieß er auf die Abschiedsbriefe. Einige der Ermordeten haben Ehrengräber auf dem Leipziger Südfriedhof, auf dem der 76-Jährige auch Führungen anbietet. Er findet, dass für die Angehörigen der Tod immer schrecklich ist: »Für die im Feld gefallenen Soldaten gilt das genauso.« Doch geht aus Abschiedsbriefen der Widerstandskämpfer hervor, dass sie wussten, wofür sie starben.
Die Resonanz der Ausstellung ist groß. Eine Gruppe Interessierter war an einem Sonnabend extra aus Leipzig-Connewitz gekommen, um persönlich mit Fritz Hundt ins Gespräch zu kommen. Es gibt auch Anfragen anderer Veranstalter, die Exposition in ihren Räumen zu zeigen, zum Beispiel im Filmtheater UT Connewitz oder im alternativen Jugendzentrum Conne Island, beide in Leipzig.
Vor wenigen Tagen erhielt Fritz Hundt Post aus München. Eine ältere Dame suchte nach Informationen zu ihrem hingerichteten Vater. Sie hatte von der Ausstellung im Komm-Haus gelesen. Fritz Hundt staunt: »Bis München hat sich das herumgesprochen!«
»Nehmt es mir nicht übel, dass ich Euch diesen Schmerz bereiten muss.(...) Ich wünsche Euch Kraft und Haltung.«
Die Ausstellung »Leipziger Antifaschisten und ihre Abschiedsbriefe« ist im KommHaus Leipzig-Grünau, Selliner Straße 17, noch bis zum 16. März 2018 zu sehen; Mo bis Do 9 bis 18 Uhr, Fr nach Absprache; Tel. 0341 9419132; Informationen im Netz unter: komm-haus@leipzig.de