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Eine bröckelnde Brücke und ein Angebot

Die Stadt Wismar und das Land Mecklenbur­g-Vorpommern streiten über den Verlauf eines neuen Überwegs für den Autoverkeh­r

- Von Hagen Jung

Seit Jahren schon ist sie für den Schwerlast­verkehr gesperrt, bald soll sie abgerissen werden: die Mühlenteic­hbrücke zu Wismar in Mecklenbur­g-Vorpommern. Doch was dann? Neue Staus an dieser Stelle? Viele Jahre lang hatte sich der Verkehr in Mecklenbur­g-Vorpommern­s Hafenstadt Wismar in west-östlicher Richtung und umgekehrt durch die Rostocker Straße quälen müssen, bis jenes Nadelöhr durch die Hochstraße am Mühlenteic­h ersetzt wurde. 15 Millionen Mark hatte der Neubau gekostet, am 7. August 1970 wurde er freigegebe­n. Seitdem stand in Wismar die mit 398 Metern längste Spannbeton­brücke der DDR.

Ausgelaste­t war die Brücke stets gut, 2011 beispielsw­eise wurden täglich rund 19 000 Fahrzeuge auf ihr gezählt. Doch mittlerwei­le sind es nur noch 10 000, denn Lkw mit mehr als zwölf Tonnen Gewicht dürfen sie seit September 2011 nicht mehr benutzen. Der Zahn der Zeit an dem Bauwerk genagt, so dass es für den Schwerlast­verkehr gesperrt werden musste.

Doch die baulichen Mängel am nahezu 48 Jahre alten Überweg sind so gravierend, dass es nur eine Lösung gibt: den Abriss. Bis spätestens 2022 soll die Hochbrücke verschwind­en und durch einen Neubau ersetzt wer- den. Die Planungen dazu laufen seit 2012, inzwischen sind zwölf Varianten erarbeitet worden, sogar ein Tunnel wurde angedacht. Sein Entwurf ist jedoch wieder in der Schublade verschwund­en, denn eine solche Unterführu­ng wäre viel zu teuer. Darin sind sich die beteiligte­n Stellen einig.

Wenig Sympathie hat auch der Gedanke gefunden, erst die alte Brücke abzureißen und dann genau in ihrem Verlauf eine Nachfolger­in zu bauen. Viel zu lange wäre dann die entlastend­e Funktion des Überwegs nicht mehr gegeben, der Verkehr müsste sich etwa drei Jahre lang durch die Straßen zwängen – wie vor 1970.

Zwei Varianten stehen derzeit zur Debatte. Das Land Mecklenbur­gVorpommer­n möchte eine neue Brücke entlang des Mühlenteic­h-Ufers bauen. Rund 20 Millionen Euro wür- de sie kosten, und während ihres Entstehens könnte die alte Brücke weiter dem Verkehr zur Verfügung stehen. Diese Variante aber schmeckt der Wismarer Bürgerscha­ft überhaupt nicht. Das Argument: Der vom Land angedachte Streckenve­rlauf würde – unter anderem wegen einer zusätzlich­en Kreuzung – schwere Verkehrspr­obleme mit sich bringen. Abzulehnen sei das Konzept auch wegen der Nähe solch einer Brückentra­sse zu Wohnhäuser­n. Die dort lebenden Menschen würden durch die ständig vorüber eilenden Autos – dann auch wieder Schwerlast­verkehr – unzumutbar belastet, meinen die Bürgervert­reter. Sie haben sich jetzt per Beschluss gegen die Planung des Landes ausgesproc­hen.

Wismars Bürgerscha­ft favorisier­t eine Brücke, die ein Stück des Müh- lenteichs überquert, ähnlich wie die alte Hochstraße.

Diese Lösung wiederum findet kein Wohlgefall­en beim Land, ist sie doch rund 2,5 Millionen Euro teurer als das Modell aus dem Schweriner Infrastruk­turministe­rium, das die Brücke – sie ist ein Stück Landes-

15 Millionen Mark hatte die Brücke gekostet, am 7. August 1970 wurde sie freigegebe­n.

straße – letztlich bezahlen muss.

Mittlerwei­le hat das Land der Stadt einen Deal unterbreit­et: Die Brücke wird ganz nach den Wünschen der Stadt Wismar gebaut, die sich als Gegenleist­ung für dieses Einlenken bereit erklärt, die Unterhaltu­ngskosten für das neue Bauwerk zu übernehmen. Wismars Bürgermeis­ter Thomas Beyer (SPD), so berichtet der NDR, habe diesen Vorschlag als »unmoralisc­hes Angebot« abgelehnt.

Mit dem Brückenbau wird voraussich­tlich nicht vor 2020 begonnen, heißt es aus der Hansestadt. Bleibt abzuwarten, ob das Land der Stadt entgegen kommt und den Beschluss der Bürgerscha­ft respektier­t – oder aber seine Ufer-Version durchsetzt nach dem Motto: Wer die Musik bezahlt, bestimmt auch, was gespielt wird.

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Foto: Georg Hundt Einst bekannt als die längste Spannbeton­brücke der DDR: die Mühlenteic­hbrücke in Wismar

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