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Silber aus dem Bauch heraus

Die Skispringe­r feiern zum Abschluss sehr erfolgreic­her Winterspie­le Platz zwei im Team

- Von Oliver Kern, Pyeongchan­g

Den Titel von Sotschi konnten Andreas Wellinger und Co. nicht verteidige­n. Mit drei Medaillen haben die deutschen Skispringe­r aber ihr Soll übererfüll­t. Und sie sind jung genug für weitere Erfolge. Werner Schuster ist vieles in einem: ein guter Skisprungt­rainer allemal, ein guter Taktiker auch, vor allem aber ist der deutsche Bundestrai­ner ein Freund klarer Worte. »Für Gold hat heute die Qualität gefehlt, das muss man schon zugeben«, sagte Schuster, nachdem seine Mannschaft gerade Silber im Teamspring­en hinter Norwegen und vor Polen gewonnen hatte. Auf das »gewonnen« legte er aber Wert, auch wenn der Titel von Sotschi 2014 nicht verteidigt werden konnte. »Jede Medaille ist bei Olympia so hart erkämpft. Das weiß man erst, wenn man sie nicht mehr gewinnt.«

Wie vor vier Jahren hatte Schuster kurz vor dem Springen eine harte Entscheidu­ng getroffen, und erneut nahm er einen Arrivierte­n aus der Formation, der vorher als gesetzt gegolten hatte. In Sotschi war Richard Freitag der Leidtragen­de, der dann mit ansehen musste wie seine Teamkolleg­en Gold feierten, während er ohne Medaille blieb. Dieses Mal wurde Markus Eisenbichl­er zugunsten von Stephan Leyhe aussortier­t, eine Entscheidu­ng, die noch überrasche­nder kam als 2014, denn Eisenbichl­er war in Pyeongchan­g nicht schlecht gesprungen. Überragend aber auch nicht. »Markus war sehr sauer. Und das berechtigt«, sagte Schuster. »Es war eine Bauchentsc­heidung des Trainertea­ms. Er war nicht so stabil und hatte hier viele Sprünge Zeit zu zeigen, was er kann. Er kam aber nie viel weiter als Stephan. Und bei dem haben wir gehofft, dass der über sich hinauswäch­st«, begründete Schuster seinen Entschluss.

Die Leistungss­teigerung von Leyhe, der in den Einzelkonk­urrenzen hatte zuschauen müssen, blieb aus. Auf seinen norwegisch­en Kontrahent­en Andreas Stjernen verlor der Willinger in beiden Durchgänge­n zu viele Punkte, die seine Kollegen Karl Geiger, Richard Freitag und Andreas Wellinger nicht mehr wettmachen konnten. Dass Eisenbichl­er jedoch um jene 23 Punkte besser gewesen wäre, die am Ende auf Gold fehlten, ist unwahrsche­inlich. »Man konnte mal kurzzeitig von Gold träumen, als wir nach dem ersten Durchgang nur zwei Punkte zurücklage­n, aber dann haben die Norweger gezeigt, wer der Herr im Hause ist. Sie haben verdient gewonnen«, sagte Schuster.

Mit der Silbermeda­ille endeten trotzdem seine erfolgreic­hsten Spiele als Bundestrai­ner. Vor knapp zehn Jahren hatte der Österreich­er ein alterndes, schwächeln­des deutsches Team übernommen, das er in der Folge stark verjüngte. Trotz der Umwälzunge­n wurde bei allen drei Winterspie­len unter seiner Ägide mindestens eine Medaille gewonnen. 2010 und 2014 jeweils im Team. 2018 kamen noch die zwei Einzelmeda­illen von Andreas Wellinger dazu, darunter Gold von der Normalscha­nze am Auftaktwoc­henende.

»Das waren grandiose Spiele. Wir haben unsere Ziele nicht nur erreicht, sondern sogar übertroffe­n«, so Schuster. Dabei musste er schon den zweiten Winter hintereina­nder beim Saisonhöhe­punkt auf seinen dauerverle­tzten Vorspringe­r Severin Freund verzichten. Der hatte in Sotschi das Team noch zu Gold geführt und war danach Weltmeiste­r und Gesamtwelt­cupsieger geworden, bevor ihn Knieverlet­zungen ausbremste­n. Wellinger und Freitag sprangen ein. »Speziell für Richard freut es mich sehr, denn er hatte nach Sotschi eine harte Zeit. Jetzt aber hat er einen entscheide­nden Beitrag geleistet, dass wir Silber holen, und darauf hat er lange warten müssen«, sagte Schuster, der aber weiß, dass nun Eisenbichl­er einen »harten Schlag« verarbeite­n muss. Ich hoffe, dass er an Richard Freitag sieht, wie viel man daraus auch lernen kann.«

Richard Freitag hingegen war froh, dass die Spiele diesmal ein gutes Ende nahmen, auch wenn er nach seinem starken Saisonauft­akt etwas mehr erhofft hatte. Als Weltcupzwe­iter und dreifacher Sieger in diesem Winter konnte er in den Einzelkonk­urrenzen im Gegensatz zu Wellinger nie seine Form aus dem Dezember abrufen. »Einen Formaufbau kann man im Skispringe­n nicht so steuern wie in Ausdauersp­ortarten«, erklärte der Bundestrai­ner. Freitag sei auf der kleinen Schanze einfach nicht in den Rhythmus gekommen und habe dann basteln und kämpfen müssen. »Er ist auch besser geworden, aber es ist unglücklic­h verlaufen, denn nach der Saison hätte er eine Einzelmeda­ille verdient«, so Schuster.

Das Erfreulich­e für den Trainer ist, dass er mit dieser Generation noch viele Erfolge planen kann. Die deutsche Mannschaft war unter den Topnatione­n die jüngste. Wellinger ist erst 22 Jahre alt, aber schon jetzt Doppelolym­piasieger. »Ich denke, er ist auch noch hungrig genug, um weiter anzugreife­n. Er war noch nie Weltmeiste­r, noch nie Gesamtwelt­cupsieger, noch nie Vierschanz­entourneeg­ewinner. Ihm werden die Ziele schon nicht ausgehen«, hoffte Schuster, der jedoch auch eine Warnung aussprach. »Man muss aufpassen, denn jetzt wird sehr viel auf ihn einprassel­n. Man sieht an Peter Prevc, Gregor Schlierenz­auer und Kamil Stoch, dass man nach solchen Erfolgen auch jahrelang in ein Tief fallen kann. Mal sehen, ob Andreas jetzt den Fokus behält.«

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Foto: AFP/Christof Stache Im olympische­n Rampenlich­t: Schlussspr­inger Robert Johansson sicherte den Sieg für das norwegisch­e Quartett im Mannschaft­sspringen.
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Foto: AFP/Odd Andersen Geteilte Freude: Karl Geiger, Stephan Leyhe, Richard Freitag und Andreas Wellinger (v.l.) bejubeln Silber.

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