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Nichts daraus gelernt

Ein russischer Dopingfall zerstört die Argumentat­ion des vorolympis­chen Testprogra­mms

- Von Oliver Kern, Gangneung

Ein gedopter Curler zerstört die russische Argumentat­ionslinie vom vorolympis­chen Testprogra­mm. Soll das IOC Russland schon zur Schlussfei­er wieder rehabiliti­eren?

Ein Curler hat gedopt. Weil es einen Medailleng­ewinner aus Russland betrifft, sind die Auswirkung­en groß. Das IOC gerät so vor der Abschlussf­eier der Olympische­n Winterspie­le wieder unter Druck. Eve Muirhead brachte es auf den Punkt. »Nach allem, was in Sotschi passiert ist, hätte man denken können, sie hätten ihre Lektion gelernt. Aber unglücklic­herweise ist da nicht so«, sagte die schottisch­e Curlerin am Dienstag. Dass der erste russische Dopingfall der Olympische­n Spiele von Pyeongchan­g ihre Sportart traf, hatte sie ebenso überrascht wie wütend zurückgela­ssen. »Das ist alles sehr frustriere­nd«, sagte sie der BBC.

Alexander Kruschelni­zki war laut Nachrichte­nagentur AFP zwei Mal positiv auf Meldonium getestet worden, ein in Osteuropa weit verbreitet­es Herzmedika­ment, das nach Ansicht der Welt-Antidoping-Agentur WADA Blutversor­gung und Ausdauer verbessert und daher 2016 auf die Verbotslis­te gesetzt wurde. Das russische Olympische Komitee (ROK) meldete am Dienstag, dass auch die B-Probe positiv ausfiel.

Der 25-Jährige aus St. Petersburg streitet Doping ab. Im vorolympis­chen Trainingsl­ager müsse ihm jemand in Japan die Substanz in sein Getränk gemischt haben, vermutete er am Montag. Da Sportler selbst dafür verantwort­lich sind, was in ihren Körper gelangt, müsste der Russe die Kontaminie­rung nachweisen, um vom Dopingvorw­urf freigespro­chen zu werden.

Die Tragweite des Falls geht weiter über den Curler hinaus, der im Mixed-Doppel in Pyeongchan­g gemeinsam mit seiner Frau Anastassij­a Brysgalowa Bronze gewonnen hatte. Nach dem Skandal um vertauscht­e und manipulier­te Dopingprob­en bei den Winterspie­len in Sotschi 2014 war das ROK suspendier­t worden. Nur vom Internatio­nalen Olympische­n Komitee (IOC) handverles­ene Athleten wurden nach Südkorea eingeladen, wo sie unter neutraler Flagge starten. Sie stehen unter besonderer Beobachtun­g. Nur bei vorbildlic­hem Benehmen könnte die Suspendier­ung aufgehoben werden, so dass bei der Abschlussf­eier am Sonntag wieder die russische Fahne ins Stadion getragen werden darf. Einen Tag vorher will die IOC-Exekutive entscheide­n.

Schon vor der positiven Probe kritisiert­en viele Beobachter die Möglichkei­t dieser Begnadigun­g im Angesicht dessen, dass Russland noch immer abstreitet, ein staatlich gelenktes Dopingsyst­em betrieben zu haben. Die IOC-Führung unter Präsident Thomas Bach soll sie trotzdem präferiert haben. Sogar die russische Teamkleidu­ng in den Nationalfa­rben soll schon bereitlieg­en, heißt es. Der neue Dopingfall bringt das IOC nun aber zusätzlich in Bedrängnis, zumal Russland auch die 15 Millionen USDollar Strafe noch nicht überwiesen hat, zu der das Land im Zuge der Suspendier­ung verurteilt worden war. »Bei der Entscheidu­ng wird die IOC- Einladungs­gruppe das Verhalten des gesamten Teams und andere Aspekte berücksich­tigen«, sagte IOC-Sprecher Mark Adams am Dienstag. »Sie prüft, ob Sinn und Wort unserer Vorgaben eingehalte­n werden. Und dabei betrachtet sie die gesamten Spiele.« Das kann alles und nichts bedeuten: Entweder ist ein Dopingfall schon einer zu viel. Oder eine Mannschaft sollte nicht wegen eines einzelnen Falls komplett bestraft werden. Gewissheit gibt es wohl erst am Wochenende.

Für Russland ist es ein weiterer Imageschad­en – ebenso für das IOC. Beide hatten behauptet, nur saubere Athleten würden in Südkorea starten. Kruschelni­zki hatte nach IOCVorgabe­n mehrere Dopingtest­s vor den Spielen absolviere­n müssen, obgleich weiterhin Informatio­nen darüber fehlen, ob unangekünd­igt im Training getestet wurde oder ob Blutund Urinproben genommen wurden. IOC-Sprecher Adams versuchte, die Schuld an andere weiterzure­ichen. »Ob ordentlich getestet wurde, müssen sie die Antidoping-Agenturen aus Dänemark, Kanada, Japan, Großbritan­nien und den USA fragen. Die haben die vorolympis­chen Tests beaufsicht­igt. So ganz richtig ist das nicht. Die NADAs mögen die Tests durchgefüh­rt haben, die Aufträge und Vorgaben, was, wann und wie getestet wird, stammten vom IOC. In jedem Fall zerfällt nun die ohnehin wacklige Versicheru­ng, dass überhaupt festgestel­lt werden kann, wer sauber ist, denn negative Dopingtest­s sind nie ein Beweis dafür. Die positiven beweisen lediglich, wer nicht sauber ist.

Währenddes­sen meldete sich der Norweger Magnus Nedregotte­n zu Wort. Er hatte mit Partnerin Kristin Sasklien im Spiel um Bronze gegen Kruschelni­zki verloren. »Als ich vom positiven Test hörte, war ich sauer. Wir haben so hart gekämpft. Jetzt zu erfahren, dass wir vielleicht betrogen wurden, fühlt sich schrecklic­h an« , so Nedregotte­n. Sollte Kruschelni­zki schuldig sein, sei es nur sehr schwer zu verkraften, dass ihm und seiner Partnerin der Moment im Rampenlich­t geraubt wurde. Bewusstes Doping hält der Norweger jedenfalls auch im Curling für erklärbar. »Speziell im Mixed-Doppel müssen wir Männer fast jeden Stein wischen. Der Spielplan war auch sehr eng, so dass ich zum Turnierend­e ziemlich erschöpft war«, so Nedregotte­n. Das russische Team hatte zudem sein Halbfinale erst spät am Abend verloren und musste dann am nächsten Morgen schon wieder gegen die Norweger ran.

Die Enttäuschu­ng über das verlorene kleine Finale lasse sich nicht mehr ändern: »Im Sport geht es um den Moment«, sagte der 27-Jährige in Gangneung. Trotzdem würde er im Fall der Fälle gern noch während der Olympische­n Spiele seine Medaille bekommen, wünscht sich Nedregotte­n. »Das wäre besser als irgendwann in einem Jahr.«

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Foto: imago/ITAR-TASS/Valery Sharifulin
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Foto: imago/AFLOSPORT Am Gyeongpo-Strand war die Welt der fünf Ringe noch halbwegs in Ordnung – für das IOC sowie das russische Curlingpaa­r Anastasia Brysgalowa (l.) und Alexander Kruschelni­zki. Nun ist deren Bronze fraglich und das IOC gefragt

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