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Türkei bombardier­t Assads Truppen

Syrische Armee in Afrin eingerückt

- Von Roland Etzel

Beirut. Syrische Regierungs­truppen sind nach Angaben von Aktivisten am Dienstag in die Kurdenregi­on Afrin in Nordsyrien eingerückt, die seit Wochen einer Aggression der türkischen Armee ausgesetzt ist. Ein Konvoi mit Hunderten Kämpfern habe am Nachmittag die von den kurdischen Volksverte­idigungsei­nheiten kontrollie­rte Region erreicht. Syrische Medien hatten am Montag berichtet, dass regierungs­treue Einheiten sich dem Kampf gegen die türkische Armee anschlösse­n. Diese habe daraufhin das Gebiet bombardier­t. Das meldete die syrische Nachrichte­nagentur Sana am Dienstag.

Bei neuen heftigen Angriffen auf das syrische Rebellenge­biet Ost-Ghuta nahe der Hauptstadt Damaskus sind den zweiten Tag in Folge Dutzende Zivilisten ums Leben gekommen. Die Syrische Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte meldete am Dienstag, seit dem Morgen seien in der belagerten Region 50 Menschen getötet worden, darunter 13 Kinder. Das Gebiet sei von Jets und Hubschraub­ern aus der Luft und mit Artillerie bombardier­t worden.

Der syrische Kriegsscha­uplatz erlebt die bisher heftigsten Kämpfe dieses Jahres. Neben dem kurdischen Siedlungsg­ebiet im Norden betrifft das vor allem die Ghouta östlich von Damaskus. Seit einer Woche fliegt die syrische Luftwaffe Angriffe auf die Ost-Ghouta. Die Ghouta ist eine – für nahöstlich­e Verhältnis­se – wasser- und damit vegetation­sreiche Region, die die Hauptstadt Damaskus zu drei Vierteln umschließt und praktisch deren Lebensader­n beherbergt. In der OstGhouta haben sich allerdings gleich nach Ausbruch des Krieges regierungs­feindliche Milizen festsetzen können. Sie behaupten sich dort seit nunmehr fast fünf Jahren. Den Regierungs­truppen ist es in dieser Zeit nicht gelungen, nennenswer­t dagegen vorzugehen. Im Gegenteil, häufig hatten sie sich selbst zu verteidige­n.

Die erfolgreic­hen Offensiven der Regierungs­armee anderswo haben auch die strategisc­he Lage für die Rebellen in der Ost-Ghouta grundsätzl­ich verändert. Sie sind weitgehend eingeschlo­ssen. Der Nachschub aus Jordanien und der Türkei rollt nicht mehr. Man beklagt eine humanitäre Notlage für die schätzungs­weise 400 000 Einwohner des umzingelte­n Gebiets, und auch den Milizen geht allmählich das Pulver aus.

Ob die Zivilisten die Milizionär­e, von denen die wenigsten aus der ansässigen Bevölkerun­g stammen dürften, als Beschützer oder Besatzer betrachten, ist von außen schwer zu beurteilen. Internatio­nale Organisati­onen, vor allem die westlichen, haben sich da allerdings frühzeitig festgelegt und die syrische Regierung zur Alleinschu­ldigen am Krieg erklärt.

Derzeit laufen heftige Luftangrif­fe der syrischen Armee. Nachrichte­nagenturen wie AFP meldeten allein für Montag mindestens 100 Tote und für Dienstag bis Mittag weitere 45. Es soll sich dabei ausschließ­lich um Zivilisten handeln. Doch es ist Vorsicht geboten. Alle diesbezügl­ichen Informatio­nen stammen von sogenannte­n Aktivisten, die entspreche­nde Informatio­nen an die in Großbritan­nien ansässige Syrische Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte gegeben haben sollen.

Eigentlich zählte die Ost-Ghouta zu den vier Gebieten Syriens, für die Russland und die Türkei Vereinbaru­ngen zur Konfliktbe­ruhigung getroffen hatten. Für die Ost-Ghouta hat das aber kaum funktionie­rt. Das mag daran liegen, dass sich die dortigen Milizen untereinan­der nicht grün sind und keine gemeinsame Strategie fanden. Einige waren wohl gegen jegliche Agreements mit den Truppen von Präsident Baschar al-Assad. Dabei ist der Krieg dort für die Rebellen kaum noch zu gewinnen.

Ginge es ihnen also tatsächlic­h um die Hunderttau­senden von Not leidenden Zivilisten, wäre eine geordnete Kapitulati­on mit freiem Abzug wie zuvor in den Großstädte­n Homs und Aleppo wohl eine Lösung der Vernunft. Allerdings gibt es derzeit nichts, was darauf hindeutet. Um die Weihnachts­zeit hatte eine Islamisten­gruppe einen für die Trinkwasse­rversorgun­g der Hauptstadt wichtigen Zufluss blockiert und so schon einmal wütende Luftangrif­fe der Armee herausgefo­rdert. In diesem Mo- nat gab es bereits mehrfach Raketenang­riffe aus der Ghouta auf Damaszener Viertel, was auch nicht gerade für die Bereitscha­ft zu einer Verhandlun­gslösung spricht. Eher früher als später dürfte Damaskus mit der Rückerober­ungsoffens­ive des östlichen Vorlandes beginnen.

Von ihren bisherigen türkischen Protegés haben die Ghouta-Milizen derzeit vermutlich keine Hilfe zu erwarten. Der türkische Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan, der nahezu täglich zum Krieg in Syrien, der immer mehr auch der seine ist, Stellung nimmt, erwähnt die Ghouta kaum noch. Ankara ist am nördlicher­en Kriegsscha­uplatz, dem Kurdengebi­et Afrin, ausgelaste­t. Das Vorankomme­n ist dort deutlich geringer als es Erdogans flammende Reden vermuten lassen. Er begründet das Stocken der seit einem Monat laufenden Aggression seiner Truppen in Nordsyrien gegen die nur leicht bewaffnete­n kurdischen Einheiten damit, dass er die Zivilisten schonen wolle. Dafür ist die türkische Armee freilich nicht bekannt. Bei den Kämpfen in den türkischen Kurdengebi­eten konnte davon keine Rede sein.

Man werde das Stadtzentr­um von Afrin »in den nächsten Tagen« belagern, sagte Erdogan am Dienstag in Ankara laut AFP. Noch sind seine Truppen aber mehr als 17 Kilometer von der Stadt entfernt. Es handelte sich hier wohl vor allem um eine verklausul­ierte Forderung an die USA, ihre in der nahe gelegenen Stadt Manbidsch zur Unterstütz­ung der Kurden stationier­ten Soldaten zurückzuzi­ehen, um einer Konfrontat­ion aus dem Wege zu gehen.

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Foto: AFP/Hamza al-Aj Mesraba in der Ost-Ghouta am Montag nach einem Luftangrif­f

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