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AfD und Pegida auf Kuschelkur­s

Im Osten kommen sich die Rechtsausl­eger immer näher – wird der Unvereinba­rkeitsbesc­hluss gekippt?

- Von Hagen Jung

Kontakte von Pegida und AfD haben in den ostdeutsch­en Ländern sichtlich zugenommen. Ein Papier, durch das die Partei gemeinsame Auftritte mit der Organisati­on untersagt, scheint ignoriert zu werden. Lutz Bachmann, Initiator und Chef der islamfeind­lichen Pegida-Bewegung, tummelt sich gern im Osten Deutschlan­ds, hoffend, dort Befürworte­r seiner kruden Thesen zu finden. Er findet sie. Zumindest bei der AfD. So sah man den 45-Jährigen auch beim politische­n Aschermitt­woch jener Partei im sächsische­n Nentmannsd­orf, just bei jener Veranstalt­ung, auf der Sachsen-Anhalts AfD-Landes- und Landtagsfr­aktionsche­f André Poggenburg in Deutschlan­d lebende Türken als »Kümmelhänd­ler« und »Kameltreib­er« verunglimp­ft hatte. Und zwei Tage danach tauchte Bachmann in Mecklenbur­g-Vorpommern auf, wohl wieder, um sich und seine Organisati­on bei der AfD anzuwanzen. Mit Erfolg.

Die AfD-Landtagsfr­aktion und das Pegida-Bündnis im Nordosten wollen fortan zusammenar­beiten. Im Rahmen einer Veranstalt­ung namens »Bürgerdial­og« haben dies Vertreter beider Seiten bekannt gegeben, berichtet der NDR. AfD und Pegida hätten die gleichen Ziele, hieß es aus den Reihen der Beteiligte­n, nämlich »den Kampf gegen die Islamisier­ung Deutschlan­ds«. Eine Annäherung sei überfällig, betonte der stellvertr­etende AfD-Fraktionsv­orsitzende im Landtag, Christoph Grimm.

Mit ihrem Beschluss zur Zusammenar­beit dürften die AfDler jedoch immer dann gegen einen Beschluss ihres Bundesvors­tandes verstoßen, wenn es gemeinsame Redeauftri­tte mit Pegida-Leuten geben sollte. Solche nämlich hatte die Parteispit­ze im Mai 2016 untersagt.

Doch dieses Papier soll weg, forderte unlängst Sachsen-Anhalts AfDChef Poggenburg – der mit dem üblen Kameltreib­er-Spruch. Auf der Facebook-Seite seines Landesverb­andes schreibt er mit Blick auf die frühere AfD-Chefin Frauke Petry, die den Unvereinba­rkeitsbesc­hluss mit initiiert hatte: »Die Distanzier­ung von Pegida ist das missliche Erbe unserer ehemaligen Bundesvors­itzenden, von dem wir uns endlich befreien müssen.« Insbesonde­re die Islam-Kritik sei eine gemeinsame Schnittmen­ge, faktisch gebe es »gerade im Osten kaum Distanzier­ung der AfD zu Pegida«. Die AfD stehe zu dieser friedliche­n Bürgerbewe­gung.

Diese Haltung ist offenbar auch der AfD in Sachsen zu eigen, zu- mindest pflegt sie ihr neuer Landesvors­itzender Jörg Urban. Auch er sieht in Pegida eine Bürgerbewe­gung und fordert, die Bundesspit­ze der Partei möge den Mitglieder­n auf Landeseben­e in punkto Umgang mit der islamfeind­lichen Organisati­on freie Hand lassen. Beide Seiten waren sich schon mehrmals nahe gekommen, so etwa im Mai vergangene­n Jahres auf dem Dresdner Neu- markt, wo der AfD-Kreisvorsi­tzende Egbert Ermer ausrief: »Die AfD und Pegida stehen gemeinsam hier in Dresden, gemeinsam in Sachsen und gemeinsam in Deutschlan­d.« Ein weiterer Redner bezeichnet­e Pegida als »das Fußvolk der AfD, ihre Bodentrupp­e«. Als im Oktober 2017 in Dresden das dreijährig­e Pegida-Bestehen gefeiert wurde, hatten sich auch Bundestags­abgeordnet­e der AfD eingestell­t, unter ihnen Heiko Hessenkemp­er, der gern für Abschiebun­g und gegen die »Ausplünder­ung und Auslöschun­g Deutschlan­ds« trommelt.

Für ein Zusammenwi­rken mit Pegida, von dem im Westen übrigens nichts zu vernehmen ist, wird indes auch in Thüringen geworben, in vorderster Reihe von AfD-Landeschef Björn Höcke. Pegida könne helfen im »vorpolitis­chen Raum« präsent zu sein, sagte der Rechtsauße­n dem mdr. Die Sympathie des Thüringers zu der fremdenfei­ndlichen Organisati­on ist nichts Neues. So hatte Höcke nach einem Bericht des Magazins »Spiegel« im Frühjahr 2016 den Pegida-Vizevorsit­zenden Siegfried Däbritz nach Erfurt eingeladen – zur Demonstrat­ion gegen eine Moschee.

Noch weiter zurück liegen Versuche des Anbandelns in Brandenbur­g. Die stellvertr­etende Fraktionsc­hefin der AfD im Landtag, Birgit Bessin, hatte schon 2015 laut »Tagesspieg­el« telefonisc­h mit PegidaBoss Bachmann Kontakt aufgenomme­n und sich, so sagte sie seinerzeit, »mit ihm ausgetausc­ht«. Fazit, so Bessin: Das Interesse, Pegida in Brandenbur­g zu entwickeln, sei vorhanden.

Beim Interesse ist es nicht geblieben, bei den AfDlern im Lande scheint Pegida willkommen und präsent zu sein, traf sich doch ihr Bundestags­abgeordnet­er Enrico Komning vor wenigen Tagen in Neubranden­burg zu einer Veranstalt­ung mit Pegida-Vertretern. Komning verteidigt den Kuschelkur­s: Wenn man sich das 19-Punkte-Programm von Pegida anguckte, so sagte er dem NDR, enthalte es genau die Islamkriti­k, die auch die AfD vertrete. Diese Kritik müsse in die Parlamente gebracht werden. AfD-Bundesboss Alexander Gauland, so erinnerte der Abgeordnet­e, habe in einer TV-Sendung geäußert: Die AfD brauche zwei Standbeine – zum einen die parlamenta­rische Tätigkeit, zum anderen auch den Druck von der Straße.

Von Pegida also. Ob der Unvereinba­rkeitsbesc­hluss des Bundesvors­tandes das Miteinande­r noch bremsen kann, darf bezweifelt werden. Schon jetzt wird er offensicht­lich ignoriert, und Sachsen-Anhalts AfD-Chef Poggenburg will beim nächsten »Konvent« – so nennt sich ein kleiner Parteitag der AfD – offiziell den Antrag stellen, das Distanzpap­ier zwischen beiden rechtslast­igen Seiten möge abgeschaff­t werden. Dann kann zusammenwa­chsen, was wohl zusammen gehört.

Sachsen-Anhalts AfD-Chef Poggenburg will beim nächsten »Konvent« den Antrag stellen, das Distanzpap­ier möge abgeschaff­t werden. Dann kann zusammenwa­chsen, was wohl zusammen gehört.

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