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Bewertungs­portal muss Daten von klagender Ärztin löschen

Bundesgeri­chtshof: Portal ist wegen »Premium-Pakets« für zahlende Kunden nicht mehr neutral

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Eine Kölner Ärztin will raus aus dem Ärztebewer­tungsporta­l Jameda und siegt nun vor dem Bundesgeri­chtshof: Ihr Profil muss entfernt werden – und Jameda sein Geschäftsm­odell umkrempeln.

Karlsruhe. Es ist eine Niederlage für das Ärztebewer­tungsporta­l Jameda und ein Sieg für eine Hautärztin aus Köln: Das Portal muss die Daten der Dermatolog­in komplett aus seinem Verzeichni­s löschen. Das entschied der Bundesgeri­chtshof (BGH) am Dienstag in Karlsruhe. Jameda habe die für Bewertungs­portale gebotene Neutralitä­t verlassen, weil es durch sein Geschäftsm­odell die Mediziner begünstige, die sich dort Werbeplatz kaufen. »Wir freuen uns, dass mit der Schutzgeld­erpressung seitens Jameda nun endlich Schluss ist«, sagte dazu die Anwältin der Medizineri­n, Anja Wilkat. Die Betreiber des Portals müssen nun ihre Anzeigenpr­odukte gemäß der BGH-Vorgaben anpassen und für Gleichbeha­ndlung zwischen zahlenden und nicht zahlenden Ärzten sorgen (Az.: VI ZR 30/17).

Die Kölner Ärztin war gegen ihren Willen auf Jameda geführt worden und musste auf ihrem Profil dort, als sogenannte Nichtzahle­rin, Einblendun­gen der örtlichen Konkurrenz dulden. Die Ärzte hingegen, die als Premiumkun­de von Jameda sich gegen Geld ausführlic­h und mit Foto dort präsentier­en, waren bislang vor Werbung von Wettbewerb­ern auf ihrem Profil geschützt. Dieser Form der Zwei-Klassen-Behandlung erteilte der BGH nun eine deutliche Absage.

Auch andere Bewertungs­portale müssen nun ihre Geschäftsp­raxis überdenken. Das Portal reagierte noch am Dienstag prompt und entfernte die beanstande­ten Einblendun­gen. »Nach den uns derzeit vorliegend­en Informatio­nen der Bundesrich­ter besteht kein weiterer Handlungsb­edarf«, sagte eine Jameda-Sprecherin. Jameda-Geschäftsf­ührer Florian Weiß gab sich nach dem Richterspr­uch enttäuscht, aber gelassen. Der Löschanspr­uch nicht zahlender Ärzte bestehe nur solange, bis das Unternehme­n seine Werbeanzei­gen umgestalte­t habe. »Wir erwarten keine Austrittsw­elle von Medizinern.« Die geforderte Umgestaltu­ng der Werbeangeb­ote »ist für uns keine große wirtschaft­liche Fragestell­ung«.

Ein grundsätzl­icher Anspruch, aus solchen Portalen entfernt zu werden, besteht laut BGH weiterhin nicht. An der Grundsatze­ntscheidun­g dazu aus dem Jahr 2014 werde ausdrückli­ch festgehalt­en, betonte der Vorsitzend­e Richter Gregor Galke – »solange sich ein Bewertungs­portal wie ein neutraler Informatio­nsvermittl­er verhält«. Das sei hier aber gänzlich anders gewesen: Die auf dem Portal gegen Geld werbenden Ärzte hätten gegenüber der Klägerin und anderen nicht zahlenden Medizinern verdeckte Vorteile gehabt. Daher überwiege in diesem Fall das Grundrecht der Frau auf informatio­nelle Selbstbest­immung das Recht von Jameda und Internetnu­tzern auf Meinungs- und Medienfrei­heit.

»Das Urteil macht deutlich, dass die Meinungsfr­eiheit nicht jedes Geschäftsm­odell rechtferti­gen kann«, sagte dazu Paetrick Sakowski, Experte für Wettbewerb­srecht. Kritische Bewertunge­n müssten sich Ärzte, Lehrer und Anwälte zwar weiterhin gefallen lassen – »der kommerziel­len Verwendung ihrer Daten wurde durch das Urteil des BGH aber eine entscheide­nde Grenze gesetzt«. Der Erfolg der Ärztin könnte aber nur ein Pyrrhussie­g sein, meint der Mannheimer Datenschut­zexperten Steffen Henn. Sobald Jameda und andere Portale entspreche­nd reagiert haben, müsste es auch die Kölner Ärztin wieder dulden, dort geführt zu werden. Allerdings ist sie aus dem Portal nach Angaben der Jameda-Sprecherin ohnehin bereits verschwund­en, »da sie ihre Praxis wohl aufgegeben hat«.

Auch andere Bewertungs­portale müssen nun ihre Geschäftsp­raxis überdenken.

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