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Guatemalas Pakt der Korrupten

Die UN-Kommission gegen die Straflosig­keit und das Justizmini­sterium beißen sich am Establishm­ent die Zähne aus

- Von Knut Henkel

Das Handaufhal­ten gehört in Guatemala zum Alltag. Selbst Präsident Jimmy Morales lässt sich teure Sonnenbril­len vom Staat bezahlen. Die scheidende Generalsta­atsanwälti­n klagt über alte Seilschaft­en. Kein Einzelfall: Die Richterin Judith Secaida ist dem Antrag des Justizmini­steriums (Ministerio Público) und der UN-Kommission gegen die Straflosig­keit (CICIG) nicht gefolgt. Folgericht­ig ist der langjährig­e Bürgermeis­ter von Guatemala-Stadt und Ex-Präsident Álvaro Arzú nach wie vor auf freiem Fuß. Dabei gilt Arzú wie so viele aus dem Establishm­ent als korrupt. Aber der Politiker der harten Hand gehört in Guatemala zu den einflussre­ichsten politische­n Figuren.

»Arzú steht für die Politik der Seilschaft­en, die von Korruption und Straflosig­keit profitiere­n und daran auch nichts ändern wollen«, so Michael Mörth, der in einer der wichtigste­n Kanzleien des Landes als juristisch­er Berater arbeitet. Mörth hofft, dass die CICIG gegen den omnipräsen­ten Arzú alsbald ein neues Verfahren präsentier­en wird, aber sicher ist das nicht. »Die Zahl der Alliierten der UN-Kommission ist rückläufig und die Seilschaft­en, ich spreche vom Pakt der Korrupten, sitzen an den Hebeln der Macht«, so Mörth wenig optimistis­ch.

Die Realitäten in Guatemala sind ernüchtern­d. So hat Präsident Jimmy Morales 50 000 Quetzales, umge- rechnet rund 5500 Euro, monatlich aus dem Verteidigu­ngsministe­rium erhalten, um die Verteidige­r seines Bruders und seines Sohnes zu bezahlen, die sich wegen einer manipulier­ten Steuererkl­ärung verantwort­en müssen. Konsequenz­en hatte das bisher nicht. Derzeit macht Morales wieder Schlagzeil­en, weil er nicht bereit ist, Sonnenbril­len, Massagen und auch Kleidung aus seinen privaten Mitteln zu begleichen, sondern die Rechnungen der Staatskass­e schickt. Angesichts eines Gehalts von rund 20 000 US-Dollar, womit Morales zu den am besten bezahlten Regierungs­chefs Lateinamer­ikas gehört, für die Guatemalte­ken nicht nachzuvoll­ziehen.

Guatemalas Justiz steht vor herben Rückschrit­ten, denn das kongeniale Duo der Generalsta­atsanwälti­n Thelma Aldana und des CICIG-Direktors Iván Velásquez wird im Mai dieses Jahres auseinande­rfallen. Aldanas Amtszeit endet. Sie hatte mit Velásquez dafür gesorgt, dass das Justizmini­sterium wieder etwas von der verloren gegangenen Glaubwürdi­gkeit zurückgewi­nnen konnte. Prozesse wegen Korruption gegen den ehemaligen Staatschef Otto Pérez Molina stehen dafür genauso wie die Prozesse gegen Militärs wegen Menschenre­chtsverlet­zungen im Bürgerkrie­g (1960-96). Doch all diese bahnbreche­nden Prozesse sind derzeit aus unterschie­dlichen Gründen auf Eis gelegt. Klar ist, dass die Regierung von Jimmy Morales, dessen Partei von Ex-Militärs gegründet wurde, keinerlei Interesse hat, die Unabhängig­keit der Justiz zu fördern, sondern hinter den Kulissen Allianzen gegen die Arbeit der UNKommissi­on gegen Straflosig­keit (CICIG) und dessen kolumbiani­schen Chef Velásquez dient.

Velásquez’ weit reichendes Mandat beinhaltet die Aufdeckung der korrupten Seilschaft­en und die bisherigen Ermittlung­sergebniss­e sprechen dabei für sich. Doch de facto sieht sich Velásquez einer Front aus Politik und der ökonomisch­en Oligarchie gegenüber, die der Arbeit der CICIG fortwähren­d Knüppel zwischen die Beine werfen. Folgericht­ig lassen Erfolge vor Gericht auf sich warten und wie tief die Korruption verwurzelt ist zeigt auch der Fall des Ex-Präsidente­n Álvaro Colom und seines Finanzmini­sters Juan Alberto Fuentes Knight, dem gerade zurückgetr­etenen Oxfam-Aufsichtsr­atschef. Beide hätten ihre Aufsichtsp­flicht nicht ernst genommen, sich zwar nicht selbst bereichert, dass aber durch ihr Verhalten ermöglicht, schreiben die Blätter in GuatemalaS­tadt.

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Foto: AFP/Orlando Estrada Aktivisten protestier­en vor dem Kongress gegen den korruption­sbelastete­n Präsidente­n Jimmy Morales.

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