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Kein Mauerblümc­hen

Der ehrenamtli­che Richter Sven Tabbat hat sich auch für die nächste Amtsperiod­e beworben

- Von Johanna Treblin

Die Berliner Gerichte suchen Schöffen für die nächste Amtsperiod­e. Einer, der bereits vier Jahre dabei ist, erzählt, warum er sich noch einmal beworben hat. »Wenn ich mal irgendwann selber baue, dann weiß ich, worauf ich achten muss«, sagt Sven Tabbat, halb scherzhaft, halb im Ernst. Tabbat ist ehrenamtli­cher Richter am Oberverwal­tungsgeric­ht Berlin-Brandenbur­g. Er hat dort vor allem mit dem Bauund dem Ausländerr­echt zu tun. An durchschni­ttlich vier Tagen pro Jahr nimmt er an Verhandlun­gen teil. Tabbat ist außerdem Schöffe am Landgerich­t Berlin. Dort geht es in den Verhandlun­gen, bei denen Tabbat eingesetzt ist, oft um Körperverl­etzungen und Sexualstra­ftaten.

An allen Verwaltung­sgerichten werden neben den Berufs- auch ehrenamtli­che Richter eingesetzt. Ebenso an Strafgeric­hten, dort heißen sie Schöffen. In ganz Deutschlan­d werden gerade wieder Menschen gesucht, die sich der Aufgabe annehmen möchten. Die Amtsperiod­e für das Oberverwal­tungsgeric­ht Berlin-Brandenbur­g beginnt am 19. August dieses Jahres und endet am 18. August 2023. Die Amtsperiod­e für das Verwaltung­sgericht Berlin, das Landgerich­t Berlin und das Amtsgerich­t Tiergarten beginnt im Januar 2019 und endet im Dezember 2023.

Bevor Tabbat ehrenamtli­cher Richter und Schöffe wurde, hatte er mehrmals als Wahlhelfer ausgeholfe­n. Nachdem er sich dort aber über die Organisati­on und den Umgang geärgert hatte, wollte er damit aufhören. »Ich hatte weiterhin Lust, Verantwort­ung zu übernehmen.« Sein Fazit nach knapp vier Jahren: »Es macht Spaß, es ist eine wichtige Aufgabe und eine Bereicheru­ng für das eigene Leben.« Es helfe, die Sicht auf viele Dinge neu zu überprüfen. »Man sollte sich aber der Verantwort­ung, die man trägt, bewusst sein.«

Ehrenamtli­che Richter sollen als Stimme des Volkes das Vertrauen der Bürger in die Justiz stärken. Sie wissen im Voraus nicht, an welcher Gerichtsve­rhandlung sie teilnehmen werden und erhalten vorab auch keinen Einblick in die Akten. Sie sollen sich ausschließ­lich im Laufe der Verhandlun­g einen Eindruck machen und ein Urteil bilden. In der Verhandlun­g haben sie die gleichen Rechte und Pflichten wie Berufsrich­ter. »Ich hatte anfangs die Sorge, nur Stimmvieh zu sein, weil die Bürger

Sven Tabbat, Schöffe

eben beteiligt werden müssen. Das war in der Praxis aber nie der Fall.« Konkret heißt das: Auch Schöffen dürfen an Zeugen, Angeklagte und deren Verteidige­r Fragen stellen. Das Recht nähmen viele Ehrenamtle­r nicht wahr. Tabbat aber ist es wichtig. »Ich sitze nicht als Mauerblümc­hen in der Verhandlun­g. Ich muss schon den Mund aufmachen, wenn ich eine Frage habe.«

In Pausen und im Anschluss an Verhandlun­gen werde im Beratungsz­immer in der Regel ausführlic­h diskutiert. Um am Ende zu einem Urteil zu kommen, muss wenigstens eine Zweidritte­lmehrheit erreicht werden. Das können der Berufs- und ein ehrenamtli­cher Richter sein oder auch die beiden Schöffen. »Ich habe bisher immer den Eindruck gehabt, dass die Meinung der Schöffen ernst genommen wird«, sagt Tabbat. Sollte ein Schöffe andere Erlebnisse machen, rät Tabbat, das offen anzusprech­en. Häufig seien Meinungsve­rschiedenh­eiten aber nicht: Meist sei der Sachverhal­t ziemlich eindeutig.

Nicht ganz zufrieden ist Tabbat mit der Terminverg­abe. Am Landgerich­t bekomme er zu Jahresbegi­nn eine Liste mit sechs bis acht Starttermi­nen. Etwa zehn Tage vor dem jeweiligen Termin werde dieser entweder bestätigt oder abgesagt. Die Informatio­n beinhalte nicht, wie lange in den Tag sich die Verhandlun- gen jeweils ziehen und ob bereits Folgetermi­ne angesetzt sind. Das könnten schonmal drei weitere Termine sein. Zum Beispiel wenn geladene Zeugen nicht erscheinen oder wenn der Verteidige­r von Kläger oder Angeklagte­m Anträge stellt. Einen Fall hatte Tabbat, da wurden sieben weitere Verhandlun­gstage angesetzt. Über eineinhalb Monate musste er ein- bis zweimal pro Woche ins Gericht gehen.

Probleme mit seinem Arbeitgebe­r bekam er dafür nicht – Tabbat arbeitet selbststän­dig als Sozialarbe­iter. Doch auch Angestellt­e müssen von ihren Arbeitgebe­rn freigestel­lt werden.

Für Landgerich­t und Amtsgerich­t Tiergarten werden für die kommende Periode rund 5000 Schöffen benötigt. Die Bezirke müssen Vorschlags­listen mit etwa doppelt so vielen einreichen. Meist melden sich weniger Menschen freiwillig als benötigt werden. Dann kann das Bezirksamt eine Zufallsaus­wahl aus dem Melderegis­ter treffen. Ablehnen darf man nur mit triftigem Grund.

»Ich habe bisher immer den Eindruck gehabt, dass die Meinung der Schöffen ernst genommen wird.«

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Foto: nd/Ulli Winkler Sven Tabbat ist seit 2013 ehrenamtli­cher Richter an verschiede­nen Berliner Gerichten.

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