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Sauger, Kleber, Moos und Steine

Der Kampf gegen miese Luft in vielen großen Städten nimmt manchmal fast bizarre Züge an

- Von Roland Böhm, Stuttgart

Angesichts drohender Fahrverbot­e wird in etlichen Städten der Kampf gegen die Luftversch­mutzung auch mit seltsam anmutenden Methoden geführt. Dabei müsste doch der Autoverkeh­r reduziert werden. Weniger Autos, zumindest aber weniger Verbrenner auf den Straßen – Deutschlan­ds Städte sind sich einig, dass dies die einfachste Lösung zur Verbesseru­ng der Luft wäre. Fahrverbot­e für des Deutschen liebstes Kind scheuen sie allerdings. Fast alle betroffene­n Städte kündigten inzwischen Durchfahrt­sverbote, Tempolimit­s, mehr öffentlich­e Verkehrsmi­ttel, mehr E-Mobilität, mehr Carsharing beziehungs­weise mehr Radwege an. Daneben gibt es aber auch etliche Ideen, wie man bereits entstanden­e Schadstoff­e wieder aus der Luft holen kann. Manche muten ziemlich seltsam an.

So kurvt um Deutschlan­ds schmutzigs­te Straßenkre­uzung, das innenstadt­nahe Neckartor in Stuttgart, seit geraumer Zeit eine spezielle Kehrmaschi­ne. Im Kampf gegen gesundheit­sschädlich­en Feinstaub werden mit ihr Gehwege und Fahrspuren gespült und abgesaugt. Ein erster Test hatte ergeben, dass diese Art der Straßenrei­nigung positive Effekte auf die Feinstaubb­elastung haben kann, heißt es bei der Stadt. Grobstaub wird weggeschaf­ft, bevor er klein gemahlen als Feinstaub durch die Luft wirbelt. Im Sommer soll feststehen, was das Ganze wirklich bringt.

Baden-Württember­gs Hauptstadt hatte es 2010 übrigens bereits mit einem Kleberstof­f versucht – einer Lösung aus Calcium- und Magnesiuma­cetat (CMA). Für eine Weile war man sich sicher, dass diese Lösung, die eigentlich als Taumittel eingesetzt wird, auch in der Lage ist, die feinsten Partikelch­en zu binden und zu Boden zu bringen. »Das hat nichts gebracht«, sagt der ehemalige Stadtklima­tologe Ulrich Reuter heute. Man habe diese Idee nicht weiter verfolgt.

Versuche mit großen moosbewach­senen Ständern, so genannten City-Trees, etwa gibt es in etlichen deutschen Städten. In Stuttgart wird die Filterwirk­ung der feingliedr­igen Pflanzen wissenscha­ftlich untersucht. Ergebnisse wurden für das Frühjahr versproche­n. Moose sollen in der Lage sein, Teile des Feinstaubs festzuhalt­en, andere sogar in Pflanzenma­sse umzuwandel­n. An einer viel befahrenen vierspurig­en Straße unweit des Neckartors steht eine 300 Quadratmet­er große und mit Moosen behangene Metallwand. Fast 560 000 Euro lassen sich Stadt und Land die Erforschun­g kosten. Einmal musste ein Drittel des Mooses bereits ausgetausc­ht werden, weil es abgestorbe­n war. Ende April wird es abgehängt. Dann sollen auch Ergebnisse vorliegen. Der Test sei »ergebnisof­fen« geführt worden, hieß es.

Jede Menge Tüftelei steckt auch im »Feinstaubf­resser«, der seit einiger Zeit durch Stuttgart kurvt. Ein Filterspez­ialist aus dem nahen Ludwigsbur­g hat seine Ideen gegen die Kleinstpar­tikel auf die Straße gebracht. Auf dem Dach sitzt ein dicker Feinstaubf­ilter, auch die Luft im Innenraum wird besonders gefiltert. Zum Einsatz kommt auch ein Bremsstaub­filter. Feinstaub stammt zu einem großem Teil nicht aus dem Auspuff, sondern auch aus dem Bremsen- oder Reifenabri­eb.

Auch Steinplatt­en sollen in der Lage sein, die Luft zu reinigen. Auf dem Stuttgarte­r Kronprinzp­latz nahe der Einkaufsme­ile Königstraß­e wurden beschichte­te Platten verlegt, die angeblich Stickoxide binden, wie die Stadt mitteilte. Die Platten halten die Luftschads­toffe so lange fest, bis der nächste Regen sie in die Kanalisati­on schwemmt. Experiment­ell geklärt sei die entspreche­nde Wirkungswe­ise von Titanoxid. Ob das aber vor Ort funktionie­rt, steht in den Sternen.

In Bottrop in Nordrhein-Westfalen zumindest ist man nach einem Modellvers­uch überzeugt, dass es geht. Beschichte­te Platten sind nach Angaben der Stadt Stuttgart acht Euro teurer als normale Platten. Übrigens werden such spezielle Fassadenfa­rben eingesetzt: Sie sollen gesundheit­sschädlich­e Stickoxide durch Sonneneins­trahlung in unschädlic­he Nitrate verwandeln können.

Auch Steinplatt­en sollen in der Lage sein, die Luft zu reinigen. In Bottrop ist man davon überzeugt.

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Foto: dpa/Bernd Weissbrod Ein Auto mit »Feinstaubf­resser« auf dem Dach in Stuttgart

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